Georg Christoph Lichtenberg

  • Start
  • Bände
  • Register
  • Suche
  • Hilfe
Seite 21

Band 3 - I. Einleitung in die Naturlehre - Heffte

183071
183073
3
0
1 2)a posteriori oder empirisch. Dahin gehören alle die Kenntnisse,
2 deren Principien sich auf Erfahrungs Sätze gründen, die nie
3 etwas­ allgemeines, nothwendiges geben können. Denn jede Er-
4 fahrung ist etwas eintzelnes und eine Menge machen die Sache
5 nicht besser. Dahin gehört nahmentlich der gantze empirische
6 Theil Physik die man eigentlich versteht, wenn man von |
7 38r = 6'Experimental­ Physik nennt.
8 Allein man hat nun auch eine reine Naturlehre geschaffen, deren
9 Principien a priori sind.42 Und hierzu hat Herr Kant einen vor-
10 trefflichen Grund gelegt in s. metaphysischen Anfangsgründen
11 der Naturlehre. Hiergegen läßt sich nichts einwenden. Denn
12 Wir sind 1) mit einer Sinnlichkeit ausgerüstet, das ist mit einer
13 Anlage Eindrücke zu empfangen 2) mit einem Verstande diese
14 Eindrücke zu Begriffen nach gewissen Gesetzen zu verbinden
15 und 3) Einer Vernunfft diese Begriffe zu einem Gantzen zu ord-
16 nen und Schlüsse zu machen.
17 Was also von diesen Einrichtungen unseres Selbsts abhängt, das
18 giebt Nothwendigkeit, wir müssen es so ansehen und nicht
19 anders­, weil wir nicht anders können. Es sind Anlagen in uns,
20 die für sich selbst zu Nichts führen würden aber so bald ihnen
21 Materie gegeben wird, sogleich zu etwas führen was mit dieser
22 Materie v gegeben [und] das Gegebe­ne nicht mehr Selbst ist.
23 Die Anlagen geben die Form.
24 So lassen sich also die Erscheinungen, die uns unsere Sinne ent-
25 decken, unserer eignen Natur gemäß verfolgen, und das Noth-
26 wendige apodictische Allein vortragen, das wäre dann eine soge-
27 nannte reine Naturlehre; eine wissenschafftliche im strengsten
28 Verstand.43
29 Ich habe es noch nicht wagen wollen, die Sache | 39r = 7'so vorzutragen
30 daß ich damit anfienge.44 Sondern habe immer die Physik so zu
31 behandeln gesucht, wie man die Astronomie behandelt. Die Prin-
32 cipien der Wissenschafft hauptsächlich durch die Erfahrung auf-

Textkritischer Kommentar

21 1  a posteriori oder]
21erg.
textkritik 189802
644966 183072 3
21 2  die]
21doppelt unterstr., evtl. Einfügehinweis
textkritik 189803
644967 183072 3
21 5 – 6  der … Theil]
21für die gantze empirische
textkritik 189804
644968 183072 3
21 6  man1]
21danach gestr. auch
textkritik 189805
644969 183072 3
21 7  nennt.]
21danach gestr. Vielleicht wäre der Nahme empirische Naturlehre [doppelt unterstr.] hier am schicklichsten.
textkritik 189806
644970 183072 3
21 14  Begriffen]
21davor gestr. verbinden
textkritik 189808
644972 183072 3
21 14  nach gewissen Gesetzen]
21erg.
textkritik 189809
644973 183072 3
21 19 – 23  Es … Form.]
21erg.
textkritik 189810
644974 183072 3
21 21 – 22  mit … gegeben]
21erg.
textkritik 189811
644975 183072 3
21 26 – 27  sogenannte]
21erg.
textkritik 189812
644976 183072 3
21 27 – 28  Naturlehre … Verstand.]
21 für Naturlehre.
textkritik 189813
644977 183072 3
21 30  daß … anfienge]
21erg.
textkritik 189815
644979 183072 3
21 32  hauptsächlich]
21erg.
textkritik 189817
644981 183072 3

Textkritischer Kommentar (Randtext)

Anmerkungen

448 42 
448 C. C. E. Schmid (Wörterbuch 1788, §S. 358) nennt diese reine Naturlehre „eigentliche Wissenschaft, Vernunftwissenschaft, reine Wissenschaft – |
449deren Principien a priori erkennbar und apodictisch gewiß sind z. B. die metaphysische Naturwissenschaft. Nach diesem Begriff unterscheidet sie sich von systematischen Erkenntnissen empirischer Art.“
anmerkung 189807
644971 183072 3
449 43 
449 Vgl. zu dieser Darstellung Kantscher Gedanken die in Anm. 185 zitierte­ Sudelbuchnotiz K 64: „Vielleicht könnte man sich die Sache so vorstellen: …“.
anmerkung 189814
644978 183072 3
449 44 
449 Einen solchen Anfang hat L. in einer Notiz im Sudelbuch (L 799) skizziert:„Anfang: // Da unser Gemüth, worunter ich die gantze Summe aller unserer­ Anlagen (besser) verstehe ohne auf einen Unterschied zwischen Leib und Seele zu sehen (unser Erkenntnißvermögen) eigentlich das Werkzeug ist, von dessen Kenntniß alles abhängt, was wir hier betrachten werden: So kan es nicht schaden hier über dieses Werkzeug ein Paar Worte zu sagen. Der Astronom, beschreibt seine Instrumente. Hier ist der Mensch mit seinen Anlagen das Werkzeug und dieses beschreibt [man] in den gewöhnlichen Physiken nicht. Man sezt die Einrichtungen als bekannt voraus. – Aber die Meinungen hierüber sind verschieden, das ist es gibt mehrere Einrichtungen, und es ist ein Streit, welches die beste sey. oder eigentlich zu reden­. Es gibt verschiedene Meinungen über die Einrichtung des Werkzeugs. Nun eine kurtze Darstellung vom Menschen nach seinen Anlagen. Innre und äussere Gegenstände.“
anmerkung 189816
644980 183072 3

Anmerkungen

Herausgeberkorrekturen am Drucktext

Marginalien zur sechsten Auflage

Anmerkungen von Lichtenberg

Registereinträge

0 183072 Verzeichnis der edierten Handschriften ~ NL VII A 12 ~ Bl. 38. 29866 3 21 7 38r  = 6' siehe Gesamtregister.
0 183072 Verzeichnis der edierten Handschriften ~ NL VII A 12 ~ Bl. 39. 29867 3 21 29 39r  siehe Gesamtregister.
0 183072 Sachregister ~ Astronomie ~ Vortrag ~ Vorbild für Naturlehre. 16936 3 21 31 lichtenberg Astronomie siehe Gesamtregister.
0 183072 644978 Verweise ~ Sudelbücher ~ K 64 (Promies). 17099 3 449 43 K 64 siehe Gesamtregister.
0 183072 644980 Verweise ~ Sudelbücher ~ L 799. 17110 3 449 44 L 799 siehe Gesamtregister.
0 183072 Sachregister ~ Physik ~ zerfällt in reine und empirische. 17029 3 21 5-9 lichtenberg Dahin gehört nahmentlich der gantze empirische Theil Physik die man eigentlich versteht, wenn man von  | 38r = 6' Experimental­ Physik nennt. Allein man hat nun auch eine reine Naturlehre geschaffen, deren Principien a priori sind. siehe Gesamtregister.
0 183072 Sachregister ~ Physik ~ reine (metaphysische) ~ Definition. 17109 3 21 24-28 lichtenberg So lassen sich also die Erscheinungen , die uns unsere Sinne ent- decken, unserer eignen Natur gemäß verfolgen, und das Noth- wendige apodictische Allein vortragen, das wäre dann eine soge- nannte reine Naturlehre; eine wissenschafftliche im strengsten Verstand . siehe Gesamtregister.
0 183072 Personenregister ~ Kant, Immanuel ~ Schriften ~ Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft (1786) ~ vortrefflicher Grund. 17104 3 21 9 lichtenberg Kant siehe Gesamtregister.
0 183072 Personenregister ~ Lichtenberg, Georg Christoph ~ Biographisches ~ Vorlesung/Kolleg ~ Experimentalphysik ~ Einleitung. 16931 3 21 30 lichtenberg anfienge siehe Gesamtregister.
0 183072 Personenregister ~ Lichtenberg, Georg Christoph ~ Biographisches ~ Vorlesung/Kolleg ~ Experimentalphysik ~ Einbeziehung der metaphysischen Anfangsgründe. 17031 3 21 29-30 lichtenberg Ich habe es noch nicht wagen wollen, die Sache  | 39r = 7' so vorzutragen daß ich damit anfienge. siehe Gesamtregister.
0 183072 Personenregister ~ Lichtenberg, Georg Christoph ~ Biographisches ~ Beurteilungen ~ Kant, Metaphysische Anfangsgründe (1786). 17105 3 21 9-10 lichtenberg vor- trefflichen siehe Gesamtregister.
0 183072 Sachregister ~ Philosophie, neue (Kant) ~ Verhältnis zwischen Natur und Subjekt. 16940 3 21 17-23 lichtenberg Was also von diesen Einrichtungen unseres Selbsts abhängt, das giebt Nothwendigkeit, wir müssen es so ansehen und nicht anders­, weil wir nicht anders können. Es sind Anlagen in uns, die für sich selbst zu Nichts führen würden aber so bald ihnen Materie gegeben wird, sogleich zu etwas führen was mit dieser Materie v gegeben [und] das Gegebe­ne nicht mehr Selbst ist. Die Anlagen geben die Form. siehe Gesamtregister.
0 183072 Sachregister ~ Philosophie, neue (Kant) ~ Anfangsgründe der Naturwissenschaft. 16952 3 21 1-28 lichtenberg 1 2) a posteriori oder empirisch. Dahin gehören alle die Kenntnisse, deren Principien sich auf Erfahrungs Sätze gründen, die nie etwas­ allgemeines, nothwendiges geben können. Denn jede Er- fahrung ist etwas eintzelnes und eine Menge machen die Sache nicht besser. Dahin gehört nahmentlich der gantze empirische Theil Physik die man eigentlich versteht, wenn man von  | 38r = 6' Experimental­ Physik nennt. Allein man hat nun auch eine reine Naturlehre geschaffen, deren Principien a priori sind. 42 Und hierzu hat Herr Kant einen vor- trefflichen Grund gelegt in s. metaphysischen Anfangsgründen der Naturlehre. Hiergegen läßt sich nichts einwenden. Denn Wir sind 1) mit einer Sinnlichkeit ausgerüstet, das ist mit einer Anlage Eindrücke zu empfangen 2) mit einem Verstande diese Eindrücke zu Begriffen nach gewissen Gesetzen zu verbinden und 3) Einer Vernunfft diese Begriffe zu einem Gantzen zu ord- nen und Schlüsse zu machen. Was also von diesen Einrichtungen unseres Selbsts abhängt, das giebt Nothwendigkeit, wir müssen es so ansehen und nicht anders­, weil wir nicht anders können. Es sind Anlagen in uns, die für sich selbst zu Nichts führen würden aber so bald ihnen Materie gegeben wird, sogleich zu etwas führen was mit dieser Materie v gegeben [und] das Gegebe­ne nicht mehr Selbst ist. Die Anlagen geben die Form. So lassen sich also die Erscheinungen , die uns unsere Sinne ent- decken, unserer eignen Natur gemäß verfolgen, und das Noth- wendige apodictische Allein vortragen, das wäre dann eine soge- nannte reine Naturlehre; eine wissenschafftliche im strengsten Verstand. 43 siehe Gesamtregister.
0 183072 Sachregister ~ Experimentalphysik ~ Vortrag ~ Einbeziehung der metaphysischen Anfangsgründe. 17037 3 21 29-32 lichtenberg 1 Ich habe es noch nicht wagen wollen, die Sache  | 39r = 7' so vorzutragen daß ich damit anfienge. 44 Sondern habe immer die Physik so zu behandeln gesucht, wie man die Astronomie behandelt. Die Prin- cipien der Wissenschafft hauptsächlich durch die Erfahrung auf- siehe Gesamtregister.
0 183072 Sachregister ~ Sinne ~ Sinnlichkeit (Vorstellungsvermögen) ~ Ausstattung des Gemüts. 16971 3 21 12 lichtenberg Sinnlichkeit siehe Gesamtregister.
0 183072 Sachregister ~ Gemüt (Selbst) ~ Ausstattung. 16970 3 21 12-16 lichtenberg Wir sind 1) mit einer Sinnlichkeit ausgerüstet, das ist mit einer Anlage Eindrücke zu empfangen 2) mit einem Verstande diese Eindrücke zu Begriffen nach gewissen Gesetzen zu verbinden und 3) Einer Vernunfft diese Begriffe zu einem Gantzen zu ord- nen und Schlüsse zu machen. siehe Gesamtregister.
0 183072 644980 Sachregister ~ Gemüt (Selbst) ~ Werkzeug des Erkennens. 17115 3 449 44 lichtenberg Da unser Gemüth, worunter ich die gantze Summe aller unserer­ Anlagen (besser) verstehe ohne auf einen Unterschied zwischen Leib und Seele zu sehen (unser Erkenntnißvermögen) eigentlich das Werkzeug ist, von dessen Kenntniß alles abhängt, was wir hier betrachten werden siehe Gesamtregister.
0 183072 Sachregister ~ Verstand ~ Ausstattung des Gemüts. 16973 3 21 13 lichtenberg Verstande siehe Gesamtregister.
0 183072 Sachregister ~ Vernunft ~ Ausstattung des Gemüts. 16975 3 21 15 lichtenberg Vernunfft siehe Gesamtregister.
0 183072 Sachregister ~ a posteriori ~ Prinzipien. 16979 3 21 1 lichtenberg a posteriori siehe Gesamtregister.
0 183072 644971 Personenregister ~ Schmid, Carl Christian Erhard ~ Schriften ~ Wörterbuch zum leichtern Gebrauch der Kantischen Schriften (1788). 7596 3 448 42 C. C. E. Schmid (Wörterbuch 1788 siehe Gesamtregister.
183119
183068528f86b08a499502940444
183115528f86d2b51db773537776
1433494664494

Abbildungen

Digitalisate

< 018307232101handschriftVNat_3VII-A-12-037r.jpg37r = 5' VII A 12, 37r = 5' >
0183072321701handschriftVNat_3VII-A-12-038r.jpg38r = 6' VII A 12, 38r = 6'
01830723212901handschriftVNat_3VII-A-12-039r.jpg39r = 7' VII A 12, 39r = 7'
Vorherige Seite Gehe zu
Seite
Nächste Seite
  • Impressum
  • Akademie der Wissenschaften zu Göttingen