Georg Christoph Lichtenberg

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Seite 68

Band 3 - I. Einleitung in die Naturlehre - Heffte

183118
183120
3
0
1 mung oder Modification des Gemüths. Sie heißt Erkenntniß so
2 bald sie auf einen Gegenstand bezogen wird (Schmidt p. 346)183
3 Nach Herrn Kant zerfällt unser Erkenntniß Vermögen in zwey
4 Theil[e]. (James Met. §. 50)
5 In Sinnlichkeit und Verstand in weiterer Bedeutung oder das
6 Vermögen zu dencken (Log. § 152)184
7 Die Sinnlichkeit gewährt uns unmittelbare Erkenntniß der Vor-
8 stellungen von den Gegenständen ohne Vermittelung und Dazwi-
9 schenkunfft des Verstandes. Sie ist also das Vermögen Eindrücke
10 von Gegenständen zu empfangen. Dazu hat man das Wort An-
11 schauung (intuitus) sehr schicklich befunden. Der Verstand ver-
12 bindet nun die Materie, die ihm die Anschauung darreicht auf
13 mancherley Weise die man seine verschiedenen Operationen ge-
14 nannt hat. Er verbindet
15 1)Anschauungen zu Begriffen (Verstand im engern Sinne des
16 Wortes)
17 2)Er verbindet Begriffe zu einem Urtheil, das ist Urtheilskrafft
18 3)Er verbindet Urtheile, und formirt Schlüsse, das ist Vernunfft.
19 Die Vorstellung von diesem Buch ist Anschauung, ein Buch überhaupt
20 ist ein Begriff
21 Hier schließt sich an was im Buche K. p.*185 |
22 17vOhne Einwirckung des Verstandes, möchten wir freilich nicht
23 auf das praeter nos verfallen. Allein es ist mit dem Erklären über-
24 haupt so, daß die Erde sich um ihre Axe drehe kan auch nur erst
25 nach sehr vielen Vergleichungen eingesehen werden. |
26 18rVorstellung. Raum.
27 Wenn, was wir Vorstellungen nennen, Modification[en] unseres
28 Selbstes sind: so frage ich was können wir anders wissen, als was
29 diese Modification[en] enthalten. Mich dünckt das ist völlig klar.
30 Allein das bemercken wir, daß einige dieser Modificationen nicht
31 von uns abhängen, ob gleich die Modification[en] an sich eben-
32 falles Modificationen unseres Selbstes sind. Was den Grund die-
33 ser Modificationen enthält pflegen wir Objeckt zu nennen.
34 Eigentlich sind wir uns in diesen Modificationen blos einer Ver-

Textkritischer Kommentar

67 29 – 68,2  Vorstellung … 346)]
67erg. am Rand
textkritik 190399
645563 183119 3 1
68 4  (James … 50)]
68erg.
textkritik 190401
645565 183119 3
68 6  (Log. § 152)]
68erg.
textkritik 190402
645566 183119 3
68 17  zu einem Urtheil]
68erg.
textkritik 190404
645568 183119 3
68 19  ein]
68doppelt unterstr.
textkritik 190405
645569 183119 3
68 23  es]
68Dittographie
textkritik 190407
645571 183119 3
68 24  sich]
68danach gestr. nicht
textkritik 190408
645572 183119 3
68 31  an sich]
68für selbst
textkritik 190409
645573 183119 3

Textkritischer Kommentar (Randtext)

Anmerkungen

470 183 
470 C. C. E. Schmid, Wörterbuch 1788, §S. 346: „Vorstellung, repraesentatio ist eine innere Bestimmung, Modification des Gemüthes. Sie wird Erkenntniß, sobald sie auf einen Gegenstand bezogen wird.“
anmerkung 190400
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470 184 
470 Vgl. James = Jakob, Grundriß der allgemeinen Logik, 21791. Dort heißt es auf S. 290: „Unser Erkenntnißvermögen, so fern Objekte durch dasselbe bestimmt und erkannt werden, zerfällt aber in zwei Theile, die Sinnlichkeit und den Verstand“ (Metaphysik § 50) und auf S. 64: „Der Verstand in weiterer Bedeutung ist das Vermögen mehrere objektive Vorstellungen in einem Bewustseyn zu verbinden; oder das Vermögen zu denken“ (Logik § 152). (Zitate gepr.)
anmerkung 190403
645567 183119 3
470 185 
470 Hierzu paßt die folgende Sudelbuchnotiz (VS 1844, 1, §S. 85 – 87; von Promies als K 64 dem nur fragmentarisch überlieferten Sudelbuch K zugeordnet):„Vielleicht könnte man sich die Sache so vorstellen: Wir besitzen ein Vermögen, Eindrücke zu empfangen, das ist unsere Sinnlichkeit. Durch diese­ werden wir uns der Veränderungen bewußt, die in uns vorgehen; die Ursachen dieser Veränderungen nennen wir Gegenstände. Diese Gegenstände sind wir selbst nicht allein. Wir bemerken Veränderungen, Eindrücke in uns, wovon wir auch den Grund in uns selbst suchen, weil wir uns bewußt sind, daß sie von uns abhängen, oder in uns sind. So sind wir uns des jedesmaligen Zustandes unserer Seele bewußt. Dieses Vermögen ist der innere Sinn. Wo ich also sage, das geht in mir vor, so erfahre ich dieses durch den innern Sinn. Gefühl der Aufmerksamkeit, Spontaneität. Hier sind wir selbst Gegenstand und Beobachter, Objekt und Subjekt.Allein nun gibt es auch Eindrücke, wovon wir mit nicht zu überwältigender Überzeugung empfinden, daß wir bloß empfangendes Subjekt, aber nichts weniger als Objekt sind. Vielleicht wäre es genug, hier zu sagen, jene Gegenstände wären praeter nos, etwas von uns Verschiedenes – das, sollte man denken, wäre das einzige, was wir empfinden könnten. Daß sich aber dieses praeter nos in ein extra nos verwandelt, daß wir damit Entfernung von uns im Raume verbinden, und damit verbinden müssen, das scheint das notwendige Erfordernis unserer Natur zu sein. Da diese Vorstellung Notwendigkeit mit sich führt, so kann sie nicht von der Erfahrung herrühren, denn kein Erfahrungssatz impliziert Notwendigkeit. Ja, wir müssen uns sogar­ den Raum unendlich denken. Wie können wir so etwas erfahren? Das ist unmöglich. Ich glaube also, daß, wenn irgend ein Satz von aller Erfahrung unabhängig ist, so ist es der von der Ausdehnung der Körper.Hier entsteht denn aber doch die Frage (und ich kann nicht sagen, ob man darauf geantwortet hat): wenn den Körpern objektive Realität verstattet wird, und ihnen Eigenschaften zukommen, so wäre doch unter unzähligen Fällen auch der möglich, daß sie diejenigen hätten, die wir ihnen unserer Natur nach beilegen müssen, nicht weil sie sie haben, sondern weil unter den unzähligen möglichen Formen der Anschauung doch auch diese Über|
471einstimmung möglich wäre. Dieses wäre auch eine harmonia praestabilita. Allein hier ist wieder eine Frage, ob eine solche Frage zu tun verstattet ist? ob ein Objekt sein kann, was es einem andern zu sein scheint? Diese ganze Frage ist schon wieder Anthropomorphismus. Denn wie empfindende und denkende Wesen von Objekten außer ihnen affiziert werden können, wissen wir ja nicht, und können es nicht wissen. In dieser Lage der Dinge ist es das Klügste, was wir tun können, bei uns stehen zu bleiben, unsere Modifikationen zu betrachten, und uns um die Beschaffenheit der Dinge an sich gar nicht zu bekümmern.So wie es nun mit dem Raume für die so genannten äußern Gegenstände ist, ist es mit der Zeit für die Gegenstände des innern Sinnes. Veränderungen in uns selbst schauen wir an unter der Form von Dauer, Folge, Gleichzeitigkeit usw.“
anmerkung 190406
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Anmerkungen

Herausgeberkorrekturen am Drucktext

Marginalien zur sechsten Auflage

Anmerkungen von Lichtenberg

Registereinträge

0 183119 Verzeichnis der edierten Handschriften ~ NL VII E 7 ~ Bl. 17. 29921 3 68 22 17v siehe Gesamtregister.
0 183119 Verzeichnis der edierten Handschriften ~ NL VII E 7 ~ Bl. 18. 29922 3 68 26 18r siehe Gesamtregister.
0 183119 645570 Verweise ~ Sudelbücher ~ K 64 (Promies). 17099 3 470 185 K 64 siehe Gesamtregister.
0 183119 Verweise ~ Sudelbücher ~ K [ohne nähere Angabe]. 17623 3 68 21 lichtenberg Buche K siehe Gesamtregister.
0 183119 Sachregister ~ Erde (Erdkugel) ~ Umdrehung. 2647 3 68 24 lichtenberg daß die Erde sich um ihre Axe drehe siehe Gesamtregister.
0 183119 645570 Personenregister ~ Lichtenberg, Georg Christoph ~ Schriften ~ Vermischte Schriften. Hrsg. von C.W.T. Lichtenberg und G.C. Lichtenberg (jr.) (1844–1853). 7243 3 470 185 VS 1844 siehe Gesamtregister.
0 183119 Sachregister ~ Philosophie, neue (Kant) ~ Erkenntnisvermögen. 15979 3 68 3 lichtenberg Erkenntniß Vermögen siehe Gesamtregister.
0 183119 Sachregister ~ Philosophie, neue (Kant) ~ Erkenntnisvermögen ~ Vorstellung. 17624 3 68 27-34 lichtenberg 1 Wenn, was wir Vorstellungen nennen, Modification[en] unseres Selbstes sind: so frage ich was können wir anders wissen, als was diese Modification[en] enthalten. Mich dünckt das ist völlig klar. Allein das bemercken wir, daß einige dieser Modificationen nicht von uns abhängen, ob gleich die Modification[en] an sich eben- falles Modificationen unseres Selbstes sind. Was den Grund die- ser Modificationen enthält pflegen wir Objeckt zu nennen. Eigentlich sind wir uns in diesen Modificationen blos einer Ver- siehe Gesamtregister.
0 183119 Sachregister ~ Sinne ~ Sinnlichkeit (Vorstellungsvermögen). 16957 3 68 7 lichtenberg Sinnlichkeit siehe Gesamtregister.
0 183119 Sachregister ~ Gemüt (Selbst) ~ Ausstattung. 16970 3 68 5-6 lichtenberg In Sinnlichkeit und Verstand in weiterer Bedeutung oder das Vermögen zu dencken siehe Gesamtregister.
0 183119 Sachregister ~ Verstand ~ Teil der Verstandes im weiteren Sinn. 17619 3 68 15 lichtenberg Verstand siehe Gesamtregister.
0 183119 Sachregister ~ Vernunft ~ Teil der Verstandes im weiteren Sinn. 17622 3 68 18 lichtenberg Vernunfft siehe Gesamtregister.
0 183119 Sachregister ~ praeter nos. 17613 3 68 23 lichtenberg praeter nos siehe Gesamtregister.
0 183119 Sachregister ~ Urteilskraft ~ Teil der Verstandes im weiteren Sinn. 17621 3 68 17 lichtenberg Urtheilskrafft siehe Gesamtregister.
0 183119 Personenregister ~ Jakob, Ludwig Heinrich von ~ Schriften ~ Grundriß der allgemeinen Logik und kritische Anfangsgründe der allgemeinen Metaphysik (1788) ~ 21791. 7050 3 68 4 lichtenberg James siehe Gesamtregister.
0 183119 Personenregister ~ Jakob, Ludwig Heinrich von ~ Schriften ~ Grundriß der allgemeinen Logik und kritische Anfangsgründe der allgemeinen Metaphysik (1788) ~ 21791. 7050 3 68 6 lichtenberg Log. § 152 siehe Gesamtregister.
0 183119 645570 Personenregister ~ Promies, Wolfgang ~ Herausgeber ~ G.C. Lichtenberg, Schriften und Briefe (1967–1992). 7249 3 470 185 Promies siehe Gesamtregister.
0 183119 Personenregister ~ Schmid, Carl Christian Erhard ~ Schriften ~ Wörterbuch zum leichtern Gebrauch der Kantischen Schriften (1788). 7596 3 68 2 lichtenberg Schmidt siehe Gesamtregister.
183070528f86b24e835842984044
183072528f86b3f1e1c033882443
1434536009375

Abbildungen

Digitalisate

< 018311936801handschriftVNat_3VII_E7_17r.jpg17r VII E 7, 17r >
01831193682201handschriftVNat_3VII_E7_17v.jpg17v VII E 7, 17v
01831193682601handschriftVNat_3VII_E7_18r.jpg18r VII E 7, 18r
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