Georg Christoph Lichtenberg

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Seite 70

Band 4 - VIII. Vom Lichte - Heffte

200698
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0
1 als wie die ebenfalls sehr nützliche Lehre, daß man es nicht so
2 machen muß wie sie wenn man im physikalischen etwas leisten
3 will.131 Hier und da findet sich etwas gutes, dessen Werth sie
4 aber selbst nicht erkannten. Aristoteles, der viel und noch am
5 besten über das Licht geschrieben, hat in seinem Buche über die
6 Seele 2. B. 7 Cap eine vortreffliche Stelle über das Licht: Er sagt
7 das Licht ist etwas Durchsichtiges aber nicht so durch sich
8 sondern durch die Farbe eines andern Dinges. Farbe ist das, was
9 das Durchsichtige in Bewegung sezt. Die Farbe bewegt etwas das
10 durchsichtig ist, wie die Lufft, und dieses als etwas zusammen-
11 hängendes bewegt den fühlenden Sinn. Das Auge kan nicht von
12 der Farbe unmittelbar gerührt werden. Es muß ein Mittel da
13 seyn. Wäre ein leerer Raum dazwischen, so würde das Auge gar
14 nichts sehen. So verhält es sich auch mit den andern Sinnen.
15 Beym Schall ist dieses Mittel die Lufft pp132
16 Priestley Opt. T. 1. p. 21 (Klügel) die Stelle hat wenig entschei-
17 den[des] hier ist sie nach der Uebersetzung [des] Io. Argyropylus
18 Byzantin[us]133 Ed. Is. Casaub. Lugduni. 1[590] fol. T. I. p. 393; de anima.
19 [lib. II.] cap. VII. Visio namque fit [pati]ente aliquid sensitivo, [at ut] patia-
20 tur ab ipso colore, qu[i vide]tur, fieri nequit. Restat igit[ur] ut a medio.
21 Quare necesse [est] aliquid esse medium inter co[lorem] ipsum et visum.
22 Quod si id [va]cuum fiat, non modo non ex[acte,] sed neque quicquam
23 omnino v[ide]bitur. ((Quam igitur ob caussam [ne]cesse est in lumine
24 colorem vi[deri,] diximus.)) At ignis in utrisqu[e plane] videtur, in tenebris
25 inquam [atque] in lumine, id autem necess[ario] accidit. Ipsum enim per-
26 spic[uum] ad hoc perspicuum fit. Eadem [au]tem est et de sono et de
27 odore etiam ratio. Nihil enim ipsorum sensus instrumentum [tan]gens effi-
28 cit sensum. Sed ab [odore] quidem et sono move[tur m]edium, ab hoc
29 autem [utrun]que sensuum instrumen[tum.] Das Capitel ist überschrie-
30 ben [De] Colore et perspicuo.134
31 Hipparchus glaubte man befühlte die Körper mit den Augen, so
32 wie die Schnecken mit den Hörnern, die Fühlhörner streckt also
33 der Mensch bis an den Mond und zieht [sie] so offt er blinzt
34 wieder ein.135
35 Die Meinung des göttlichen Plato in s. Timäus ist nicht viel bes-
36 ser, doch läßt er auch Lichtstrahlen aus den Körpern ausgehen,
37 die denen aus dem Auge auf halbem Weg begegnen136 |

Textkritischer Kommentar

70 1  ebenfalls]
70erg.
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70 6  sagt]
70danach gestr. Farbe ist
textkritik 219351
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70 16 – 30 
70Papierverlust; Erg. nach der von L. zit. Ausg.
textkritik 219353
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Textkritischer Kommentar (Randtext)

Anmerkungen

450 131 
450 „Die Griechen wurden von ihrer lebhaften Einbildungskraft fort­gerissen, und wollten, statt den langsamen demüthigen Weg der Erfahrung zu gehen, lieber die Welt nach ihren Einfällen erbauen. Darüber verdarben sie sich die Zeit mit Widerlegung ihrer Einfälle durch andere, die nichts besser waren. [...] Diejenigen, die auch in unsern Zeiten so geneigt zu Hypothesen sind, worunter sie die ganze Natur zwingen wollen, mögen sich an den Griechen spiegeln.“ (Priestley, Geschichte 1, 1775, 24) |
451
anmerkung 219350
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451 132 
451 Nach Aristoteles also „ist Licht der Zustand aktueller Durchsichtig­keit in einem potentiell durchsichtigen Medium. Hiermit ist die notwendige Bedingung des Sehens gegeben, während die hinreichende dann erfüllt ist, wenn in diesem aktuell durchsichtigen Medium ein potentiell farbiger Körper vorhanden ist, der dann aktuell farbig wird und so das Sehen ermöglicht. Licht ist also für Aristoteles immateriell; es stellt einen Zustand dar, dessen Auftreten und Verschwinden nichts mit Bewegung, vor allem nichts mit Ortsveränderung zu tun hat. Wenn Aristoteles im Zusammen­hang mit Licht und Farbe von Bewegung spricht, so meint er den Übergang von Potentialität zu Aktualität, das heißt die Verwirklichung eines bestimmten Zustandes.“ (Sambursky, Weltbild 1965, 513 f.) – L. schmiert auch hier den Klügel aus. Dieser leitet die Passage mit den Worten ein: „Unter den Alten hat niemand mehr, noch wie es scheint, besser über das Licht und das Sehen geschrieben, als Aristoteles“ und bemerkt am Ende: „So weit Aristoteles, mit seinen eigenen Worten, so gut ich sie verstanden, nur mit etwas veränderter Stellung der Gedanken.“ (Priestley, Geschichte 1, 1775, 21 f.)
anmerkung 219352
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451 133 
451 Der aus Byzanz stammende Johannes Argyropylos (ca. 1415 – 1486) wirkte in Padua, Florenz und Rom und ist vor allem durch die Übersetzung Aristotelischer Schriften ins Lateinische bekannt.
anmerkung 219354
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451 134 
451 Willy Theiler übersetzt die Stelle (Περὶ ψυχῆς Β, 7. 419a) wie folgt (Aristoteles, Seele 1959, 37): „Denn das Sehen kommt zustande dadurch, daß das Wahrnehmungsvermögen etwas erleidet. Unmöglich aber direkt seitens der gesehenen Farbe: so bleibt also, daß es seitens des Mediums geschieht, und es muß ein Medium geben; ist dieses leer, so wird nicht nur nicht deutlich, sondern überhaupt nichts gesehen. – Aus welchem Grund notwendig die Farbe im Lichte gesehen wird, ist bemerkt worden. Das Feuer aber wird in beidem gesehen, im Finstern und in der Helligkeit, und zwar notwendigerweise. Das Durchsichtige wird ja kraft des Feuers durch­sichtig. Dieselbe Erklärung gilt auch für Schall und Geruch. Denn keines von beiden bewirkt, wenn es das Sinneswerkzeug berührt, die Wahrneh­mung. Sondern vom Geruch und Schall wird das Medium erregt, von die­sem das jeweilige Sinneswerkzeug.“
anmerkung 219355
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451 135 
451 „Hipparchus saget, die Gesichtsstrahlen gehen von beiden Seiten aus, und berühren die Gegenstände, wie man sie mit den Händen befühlet, und erwecken dadurch die Empfindung derselben.“ (Priestley, Geschichte 1, 1775, 20.) Die Quelle findet sich in dem Plutarch zugeschriebenen Werk ‚De placitis philosophorum‘ unter der Überschrift „Vom Gesichtssinn und auf welche Weise wir sehen“ (lib. IV, cap. XIII; Pseudo-Plutarch, De placi­tis 1750, 110): „Hipparchus dicit radios ab utroque oculorum extensos suis extremitatibus, veluti manuum contrectationibus, externa corpora circum contingentibus, illorum aprehensionem, notitiam, perceptionemque ad vi­sum referre.“ (Hipparch sagt, daß die von beiden Augen sich ausbreitenden Strahlen, die wie mit Betasten der Hände die äußeren Körper ringsum be­rühren, deren Erfassung, Wahrnehmung und Erkenntnis dem Gesichtssinn |
452 mitteilen.) Nach Pauly (1, 1979, 105) hat der Doxograph Aëtios (um 100 n. Chr.) ein umfangreiches Werk ξυναγωγή περὶ τῶν ἀρεσκόντων (Über die Sätze der Naturlehre), woraus ein Auszug περὶ τῶν φιλοσόφοις φυσικῶν δογμάτων (lat.: De placitis philosophorum; dt.: Von den Ansichten der Ge­lehrten) unter dem Namen des Plutarch überliefert ist.
anmerkung 219356
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452 136 
452 Über die Rolle, die das aus den Augen strömende, dem Tageslicht verwandte Licht, beim Sehen spielt, heißt es im ‚Timaios‘ (45b – d; zit. nach Platon, Timaios 1922, 68): „Wenn nun das vom Gesicht ausfließende Licht vom Tageslicht aufgenommen wird, so stößt Gleichartiges auf Gleichartiges und verschmilzt miteinander zu einem einzigen gleichartigen Körper in gerader Richtung vom Auge, wo nur immer das von innen ausströmende Feuer auf etwas stößt, was ihm von außen in den Weg tritt. Da nun dieser Stoff zufolge seiner Gleichartigkeit durchgängig die gleichen Einwirkungen erfährt, so teilt er alle Bewegungen, die er teils durch die eigene Berührung eines anderen teils durch den Anstoß von seiten eines anderen erhält, dem gesamten Körper mit und läßt sie hindurchdringen bis zur Seele: so entsteht jene Wahrnehmung, welche wir ‚Sehen‘ nennen.“ – L.s Bemerkung, daß in Platos Theorie „Lichtstrahlen aus den Körpern ausgehen, die denen aus dem Auge auf halbem Wege begegnen“, trifft also nicht zu.
anmerkung 219357
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Anmerkungen

Herausgeberkorrekturen am Drucktext

Marginalien zur sechsten Auflage

Anmerkungen von Lichtenberg

Registereinträge

0 200699 Personenregister ~ Aristoteles ~ Schriften ~ De anima (Περὶ ψυχῆς). 7843 4 70 4-6 lichtenberg Aristoteles Buche über die Seele 2. B. 7 Cap siehe Gesamtregister.
0 200699 744914 Personenregister ~ Aristoteles ~ Schriften ~ De anima (Περὶ ψυχῆς). 7843 4 451 134 Περὶ ψυχῆς Β , 7. 419a siehe Gesamtregister.
0 200699 Personenregister ~ Aristoteles ~ Schriften ~ De anima (Περὶ ψυχῆς) ~ Ausg. (lat. von J. Argyropoulos) in ders., Opera (1590). 7844 4 70 18 lichtenberg Ed. Is. Casaub. Lugduni. 1[590] siehe Gesamtregister.
0 200699 744914 Personenregister ~ Aristoteles ~ Schriften ~ De anima (Περὶ ψυχῆς) ~ Über die Seele (dt. von Willy Theiler 1959). 19353 4 451 134 Aristoteles, Seele 1959 siehe Gesamtregister.
0 200699 Personenregister ~ Aristoteles ~ Wahrnehmungslehre. 22741 4 70 4 lichtenberg Aristoteles siehe Gesamtregister.
0 200699 Sachregister ~ Licht ~ Theorie ~ Geschichte. 22736 4 70 1-37 lichtenberg 1 1 als wie die ebenfalls sehr nützliche Lehre, daß man es nicht so machen muß wie sie wenn man im physikalischen etwas leisten will. 131 Hier und da findet sich etwas gutes, dessen Werth sie aber selbst nicht erkannten. Aristoteles , der viel und noch am besten über das Licht geschrieben, hat in seinem Buche über die Seele 2. B. 7 Cap eine vortreffliche Stelle über das Licht: Er sagt das Licht ist etwas Durchsichtiges aber nicht so durch sich sondern durch die Farbe eines andern Dinges. Farbe ist das, was das Durchsichtige in Bewegung sezt. Die Farbe bewegt etwas das durchsichtig ist, wie die Lufft, und dieses als etwas zusammen- hängendes bewegt den fühlenden Sinn. Das Auge kan nicht von der Farbe unmittelbar gerührt werden. Es muß ein Mittel da seyn. Wäre ein leerer Raum dazwischen, so würde das Auge gar nichts sehen. So verhält es sich auch mit den andern Sinnen. Beym Schall ist dieses Mittel die Lufft pp 132 Hipparchus glaubte man befühlte die Körper mit den Augen, so wie die Schnecken mit den Hörnern, die Fühlhörner streckt also der Mensch bis an den Mond und zieht [sie] so offt er blinzt wieder ein. 135 Die Meinung des göttlichen Plato in s. Timäus ist nicht viel bes- ser, doch läßt er auch Lichtstrahlen aus den Körpern ausgehen, die denen aus dem Auge auf halbem Weg begegnen 136 | siehe Gesamtregister.
0 200699 Personenregister ~ Hipparchos von Nikaia ~ Lehre vom Sehen. 22742 4 70 31 lichtenberg Hipparchus siehe Gesamtregister.
0 200699 Personenregister ~ Klügel, Georg Simon ~ Übersetzer ~ [1775–1776] Priestley, The history and present state of discoveries relating to vision, light and colours (1772). 18273 4 70 16 lichtenberg Klügel siehe Gesamtregister.
0 200699 744911 Personenregister ~ Klügel, Georg Simon ~ Übersetzer ~ [1775–1776] Priestley, The history and present state of discoveries relating to vision, light and colours (1772). 18273 4 451 132 Klügel siehe Gesamtregister.
0 200699 Personenregister ~ Platon ~ Schriften ~ Timaios. 9113 4 70 35 lichtenberg Plato in s. Timäus siehe Gesamtregister.
0 200699 744916 Personenregister ~ Platon ~ Schriften ~ Timaios ~ dt. in ders., Platons Dialoge Timaios und Kritias (übers. von O. Apelt 2 1922). 9114 4 452 136 Platon, Timaios 1922 siehe Gesamtregister.
0 200699 Personenregister ~ Platon ~ Lehre vom Sehen. 22743 4 70 35 lichtenberg Plato siehe Gesamtregister.
0 200699 744915 Personenregister ~ Plutarchos von Chaironeia ~ Schriften ~ De placitis philosophorum (Περὶ τῶν ἀρεσκόντων τοῖς φιλοσόφοις φυσικῶν δογμάτων) [zugeschrieben]. 7474 4 451 135 Pseudo-Plutarch, De placi­tis 1750 siehe Gesamtregister.
0 200699 Personenregister ~ Priestley, Joseph ~ Schriften ~ The history and present state of discoveries relating to vision, light and colours (1772) ~ Geschichte und gegenwärtiger Zustand der Optik (dt. von G.S. Klügel 1775–1776). 9162 4 70 16 lichtenberg Priestley Opt. T . 1. p . 21 (Klügel) siehe Gesamtregister.
0 200699 744909 Personenregister ~ Priestley, Joseph ~ Schriften ~ The history and present state of discoveries relating to vision, light and colours (1772) ~ Geschichte und gegenwärtiger Zustand der Optik (dt. von G.S. Klügel 1775–1776). 9162 4 450 131 Priestley, Geschichte 1, 1775 siehe Gesamtregister.
0 200699 744911 Personenregister ~ Priestley, Joseph ~ Schriften ~ The history and present state of discoveries relating to vision, light and colours (1772) ~ Geschichte und gegenwärtiger Zustand der Optik (dt. von G.S. Klügel 1775–1776). 9162 4 451 132 Priestley, Geschichte 1, 1775 siehe Gesamtregister.
0 200699 744915 Personenregister ~ Priestley, Joseph ~ Schriften ~ The history and present state of discoveries relating to vision, light and colours (1772) ~ Geschichte und gegenwärtiger Zustand der Optik (dt. von G.S. Klügel 1775–1776). 9162 4 451 135 Priestley, Geschichte 1, 1775 siehe Gesamtregister.
0 200699 Personenregister ~ Argyropoulos, Johannes ~ Übersetzer ~ Aristoteles, Schriften. 7847 4 70 17-18 lichtenberg Uebersetzung [des] Io. Argyropylus Byzantin [ us ] siehe Gesamtregister.
0 200699 744915 Personenregister ~ Der kleine Pauly. Lexikon der Antike (1964–1975; Taschenbuchausg. 1979 u.ö.). 9085 4 452 135 Pauly 1, 1979 siehe Gesamtregister.
0 200699 744911 Personenregister ~ Sambursky, Samuel ~ Schriften ~ Das physikalische Weltbild der Antike (1965). 9255 4 451 132 Sambursky, Weltbild 1965 siehe Gesamtregister.
0 200699 744914 Personenregister ~ Theiler, Willy ~ Übersetzer ~ [1959] Aristoteles, De anima (Περὶ ψυχῆς). 19355 4 451 134 Willy Theiler siehe Gesamtregister.
0 200699 744915 Personenregister ~ Aetios von Antiocheia (Doxograph) ~ Schriften ~ De placitis collectio (Περὶ ἀρεσκόντων συναγωγή). 22745 4 452 135 Aëtios siehe Gesamtregister.
1453375468180

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