Georg Christoph Lichtenberg

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Seite 88

Band 4 - VIII. Vom Lichte - Heffte

200716
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0
1 Dieser von Euler bekannt gemachte Gedanke, erregte Dollonds
2 aufmerksamkeit. Dieser englische Künstler überlegte Eulers Ge-
3 danken, verglich sie mit Newtons Versuchen und Hypothesen,
4 und gab dieser neuen Meinung – keinen Beyfall;264 Und eben
5 dieses that auch der berühmte französische Mathematiker
6 Clairaut.265
7 Endlich wagte es ein berühmter schwedischer Mathematiker
8 Klingenstierna, Newtons Versuche, in einem Puncte, worauf es
9 bey Eulers Meinung ankam, in Zweifel zu ziehen. Newton hatte
10 nämlich aus seinen Versuchen geschlossen, daß bey gleicher Bre-
11 chung der Lichtstrahlen, in verschiedenen Materien auch die
12 Zerstreuung der Farben gleich wäre; oder – um mir der erst ge-
13 nommenen Erlaubniß noch einmahl zu bedienen – daß der Far-
14 benfächer jedesmahl gleich weit geöffnet wäre.266
15 Im 16ten Bande der schwed. Abhandlungen. Er zeigte nämlich, daß
16 Newtons Regel nur bey geringen mittleren Brechungen statt haben
17 oder wenigstens verführen könne (πμ !!) aber sonst nicht. Denn die
18 stärcker gebrochenen Strahlen fallen ja auch unter andern Wincke[l]n
19 ein NB.
20 Also was Newton behauptete fand nur bey gleichen Mitteln Statt,
21 aber nicht bey ungleichen, denn da wurde der Strahl nicht mehr so
22 viel zurück gebogen. und brachte man ihn dahin, daß er parallel
23 ausfuhr so waren die Farben wiederum nicht aufgehoben.267
24 – Dieses war es nun was Klingenstierna in Zweifel zog. Dollond,
25 Newtons Vertheidiger, wurde hierdurch bewogen diese newto-
26 nianische Versuche nachzumachen und zu prüfen und siehe!
27 Newton war ein Mensch.268 – Dollond fand, daß Klingenstierna
28 recht hatte; seine Versuche mit Glas und Wasser, zeigten ihm
29 zuerst, die verschiedene Zerstreuungskraft bey diesen beyden
30 Materien, und hernach fand er auch so gar, daß die Farben-
31 zerstreuung nicht einmahl bey verschiedenen Arten von Glase
32 einerley sey.269
33 Seine Untersuchung lehrte ihn zweyerley Arten Glas kennen, die
34 in diesem Stücke ganz verschiedene Wirkung thaten; diese waren
35 das gemeine Kronglas, dessen Farbe etwas grünlich fält; und das

Textkritischer Kommentar

88 2 – 3  Gedanken]
88für Meinung
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88 3  mit]
88erg.
textkritik 219573
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88 4  dieser neuen]
88für Herrn Eulers
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88 6  Clairaut]
88danach gestr. nicht
textkritik 219576
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88 15 – 23 
88in der Hschr. steht L.s Randbemerkung neben dem ohne Absatz fortlaufenden Text
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88 26  nachzumachen und]
88erg.
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Textkritischer Kommentar (Randtext)

Anmerkungen

484 264 
484 Vgl. ‚A Letter from Mr. John Dollond to James Short‘. Dollond be­zieht sich darin auf Eulers „theorem for making object-glasses“ (= Euler, Perfection 1747; vgl. Anm. 262) und merkt an (Dollond, Letter 1753, 290): „I have therefore carefully examined every step of his algebraic reasoning, which I have found strictly true in every part.“ Da Dollond aber nicht im geringsten an der Zuverlässigkeit von Newtons Beobachtungen beim „Glas-Wasser-Experiment“ zweifelt, legt er für die Berechnung einer Linsenkom­binantion selbstverständlich Newtons Gesetz zugrunde, statt dasjenige Eulers. Und so ergibt sich für Dollond die Konsequenz (ebd., 291): „that Mr. Euler’s theorem is intirely founded upon a new law of refraction of his own; but that, according to the laws discover’d by experiment, the aber­ration arising from the different refrangibility of light at the object-glass cannot be corrected by any number of refractions whatsoever.“ – Im glei­chen Jahre 1752 geht Euler im ‚Examen d’une controverse‘ auf Dollonds Kritik ein. Euler hält zwar gleich Dollond (und zuvor Newton) daran fest, daß ein gesetzmäßiger Zusammenhang zwischen mittlerem Brechungsindex und Dispersion bestehen muß. Er zeigt, daß der Unterschied der Ergebnisse zwischen seinem und Dollonds Gesetz so gering ist, daß er selbst bei ge­nauesten Experimenten nicht ins Gewicht fiele. Zugleich weist Euler nach, daß Dollonds Gesetz zu einem Widerspruch führt, man müsse also ein­räumen, „qu’aucune autre proportion que la mienne ne sauroit avoir lieu dans la Nature […] car toute autre proportion renferme les mêmes contra­dictions, que celle que Mr. Dollond avoit soutenue“ (Examen 1753, 307 f.).
anmerkung 219575
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484 265 
484 Clairaut setzt voraus, „que la réfraction étoit produite, comme tous les Newtoniens le pensent, par l’attraction des corps réfringens, & de plus que la différence de réfraction d’une couleur à une autre, n’étoit dûe qu’à la différence de vîtesse des particules de la lumière.“ Daher urteilt er über Eulers Gesetz, „qu’elle n’y avoit point lieu: ce qui prouvoit donc que la pro­position où elle étoit établie n’avoit aucune force contre les expériences citées.“ – nämlich Newtons Experimente und so gehört für ihn Eulers Idee zu „ces spéculations ingénieuses qui font plus d’honneur à la théorie qu’elles n’enrichissent la pratique.“ (Clairaut, Mémoire 1756, 383 f.) Nach Clairauts Überlegungen gilt stattdessen die Beziehung: Bild im Text, die aber „von den Versuchen noch weiter als die vorigen Theorien abweicht“, wie Gehler feststellt. „Es hängt also die Größe der Farbenzerstreuung in verschiedenen Mitteln auf keine allgemeine Art von der Größe der Bre­chung in denselben ab. Die Folge hiervon ist, daß man die Farbenzer­streuung in keiner Materie anders, als durch wirkliche Versuche erfahren kann.“ (Gehler 2, 173 f.) |
485
anmerkung 219577
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485 266 
485 Wenn man beim Bilde vom Fächer bleibt, so öffnet sich der bei ein und demselben Prisma um so weiter, je größer der brechende Winkel des Prismas ist oder in je größerem Abstand vom Prisma das Spektrum aufge­fangen wird. Newtons Mißverständnis beruht auf seiner Überzeugung, daß ein Prisma aus anderem Material keine andere Wirkung hätte als eine Ver­größerung des brechenden Winkels oder ein Abrücken des Auffangschirms. Vgl. dazu Anm. 252.
anmerkung 219578
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485 267 
485 Klingenstierna unterwirft in seiner ‚Anmerkung über das Gesetz der Brechung‘ – übersetzt und mit Anmerkungen begleitet von A. G. Kästner – Newtons Brechungsgesetze, die dieser aus seinem Glas-Wasser-Versuch (vgl. Anm. 260) ableitet, einer geometrischen Analyse und kommt dabei zu dem Schluß (Klingenstierna, Anmerkung 1756, 302): „Wenn Newtons Ver­such allgemein seine Richtigkeit hätte, so würde daraus nicht ein gewisses Gesetz der Brechung für verschiedene Strahlen, sondern unzähliche folgen, die sowol gegen einander selbst, als gegen die vom Newton selbst angenom­menen Gesetze der Brechung streiten. Ich kann also nichts anders daraus folgern, als daß der Versuch selbst in der mathematischen Schärfe nicht richtig seyn kann“. Aus K.s Rechnungen folgt (ebd., 309), „daß, wenn die Brechungen bey Newtons Versuche ganz geringe waren, es wohl möglich gewesen ist, daß der Versuch den Ausgang gehabt hat, den er beschreibt. Aber alsdenn muß man Newtons Gesetz der Brechung auf kleine Brechungen einschränken“.
anmerkung 219580
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485 268 
485 Daß Newton weit über menschliches Maß erhoben wurde, kann man Jöchers ‚Gelehrten-Lexicon‘ (3, 1751, 890) entnehmen: „[…] der Marquis d’Hospital pflegte die Engelländer die ihn besuchten, zu fragen: isset, trincket und schläfft denn euer Newton wie andere Menschen? Ich stelle mir denselben wie einen Genium, wie einen Geist vor, der von den Banden des Leibes befreyet ist.“
anmerkung 219582
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485 269 
485 Dollond variierte Newtons Glas-Wasser-Experiment, indem er den brechenden Winkel des mit Wasser gefüllten prismatischen Gefäßes solange veränderte, bis die Refraktion aufgehoben schien, d. h. ein durch die Pris­men angeschautes Objekt weder gehoben noch heruntergerückt war. Wider Erwarten zeigten sich an diesem Objekt aber prismatische Farben, „as if it had been seen thro’ a glass wedge only, whose refracting angel was near 30 degrees.“ (Dollond, Account 1758, 736.) Wenn Dollond den bre­chenden Winkel nach der entgegengesetzten Seite veränderte, so war das Ergebnis, „a very great refraction without colour, as now I had a great dis­colouring without refraction“ (ebd., 737). Dollond änderte nun auch den brechenden Winkel des Glasprismas, und experimentierte mit einer Glas-Wasserlinse, wie sie Euler vorgeschlagen hatte (vgl. Anm. 262). Die Experi­mente zeigten deutlich, „that different substances diverged the light very differently, in proportion to the refraction“ (ebd., 739). Bei dem Versuch, die Untersuchungen auf entsprechend unterschiedliches Glas auszudehnen, stieß Dollond auf die Kombination Crownglas und Flintglas. Eine achroma­tische Kombination aus zwei Prismen mit entgegengesetzt gerichtetetem |
486 brechendem Winkel erwies sich als achromatisch, wenn sich die Brechun­gen von Flint- und Crownglasprisma ungefähr wie zwei zu drei verhielten. Schließlich glückte der Versuch auch mit sphärischen Flächen, d. h. mit einem zusammengesetzten Objektiv, bestehend aus einer konkaven Flint- und einer konvexen Crownglaslinse. Trotz allen praktischen Schwierigkei­ten, so Dollond am Ende, sei es ihm gelungen, ein Refraktor-Teleskop zu konstruieren, das alles bisher bekannte übertrifft, „as representing objects with great distinctness and in their true colours“ (ebd., 743).
anmerkung 219583
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Anmerkungen

Herausgeberkorrekturen am Drucktext

Marginalien zur sechsten Auflage

Anmerkungen von Lichtenberg

Registereinträge

0 200717 745136 Personenregister ~ Clairaut, Alexis-Claude ~ Schriften ~ Mémoire sur les moyens de perfectionner les lunettes d’approche (1756). 8172 4 484 265 Clairaut, Mémoire 1756 siehe Gesamtregister.
0 200717 Personenregister ~ Clairaut, Alexis-Claude ~ Achromasie. 22852 4 88 6 lichtenberg Clairaut siehe Gesamtregister.
0 200717 Sachregister ~ Glas ~ Kronglas (Crown glass). 2964 4 88 35 lichtenberg Kronglas siehe Gesamtregister.
0 200717 745134 Personenregister ~ Dollond, John ~ Schriften ~ A Letter to James Short, concerning a mistake in M. Euler’s theorem for correcting the aberrations in the object-glasses of refracting telescopes (1753). 8236 4 484 264 A Letter from Mr. John Dollond to James Short siehe Gesamtregister.
0 200717 745142 Personenregister ~ Dollond, John ~ Schriften ~ An account of some experiments concerning the different refrangibility of light (1758). 8237 4 485 269 Dollond, Account 1758, 736. siehe Gesamtregister.
0 200717 Personenregister ~ Dollond, John ~ Achromasie. 12490 4 88 1 lichtenberg Dollonds siehe Gesamtregister.
0 200717 Personenregister ~ Dollond, John ~ Achromasie. 12490 4 88 24-35 lichtenberg 1 Dollond, Newtons Vertheidiger, wurde hierdurch bewogen diese newto- nianische Versuche nachzumachen und zu prüfen und siehe! Newton war ein Mensch. 268 – Dollond fand, daß Klingenstierna recht hatte; seine Versuche mit Glas und Wasser, zeigten ihm zuerst, die verschiedene Zerstreuungskraft bey diesen beyden Materien, und hernach fand er auch so gar, daß die Farben- zerstreuung nicht einmahl bey verschiedenen Arten von Glase einerley sey. 269 Seine Untersuchung lehrte ihn zweyerley Arten Glas kennen, die in diesem Stücke ganz verschiedene Wirkung thaten; diese waren das gemeine Kronglas, dessen Farbe etwas grünlich fält; und das siehe Gesamtregister.
0 200717 745134 Personenregister ~ Euler, Leonhard ~ Schriften ~ Sur la perfection des verres objectifs des lunettes (1747). 8324 4 484 264 Euler, Perfection 1747 siehe Gesamtregister.
0 200717 745134 Personenregister ~ Euler, Leonhard ~ Schriften ~ Examen d’une controverse sur la loi de réfraction des rayons de differentes couleurs par rapport à la diversité des milieux transparens par lesquels ils sont transmis (1753). 8331 4 484 264 Examen 1753 siehe Gesamtregister.
0 200717 Personenregister ~ Euler, Leonhard ~ Licht ~ Achromasie. 12487 4 88 1 lichtenberg Euler siehe Gesamtregister.
0 200717 745136 Personenregister ~ Gehler, Johann Samuel Traugott ~ Schriften ~ Physikalisches Wörterbuch (1787–1796) ~ Art. Farbenzerstreuung. 19386 4 484 265 Gehler 2, 173 f. siehe Gesamtregister.
0 200717 Sachregister ~ Prisma ~ Farbenzerstreuung. 22862 4 88 10-14 lichtenberg daß bey gleicher Bre- chung der Lichtstrahlen , in verschiedenen Materien auch die Zerstreuung der Farben gleich wäre; oder – um mir der erst ge- nommenen Erlaubniß noch einmahl zu bedienen – daß der Far- benfächer jedesmahl gleich weit geöffnet wäre siehe Gesamtregister.
0 200717 745139 Personenregister ~ Kästner, Abraham Gotthelf ~ Übersetzer ~ [1756] Klingenstierna, Anmärkning vid brytnings-lagen af särskilta slag ljus-strålar (1754). 19402 4 485 267 A. G. Kästner siehe Gesamtregister.
0 200717 745139 Personenregister ~ Klingenstierna, Samuel ~ Schriften ~ Anmärkning vid brytnings-lagen af särskilta slag ljus-strålar (1754) ~ Anmerkung über das Gesetz der Brechung bey Lichtstrahlen von verschiedener Art (dt. von A.G. Kästner 1756). 8724 4 485 267 Klingenstierna, Anmerkung 1756 siehe Gesamtregister.
0 200717 Personenregister ~ Klingenstierna, Samuel ~ Achromasie. 22850 4 88 7-24 Endlich wagte es ein berühmter schwedischer Mathematiker Klingenstierna , Newtons Versuche, in einem Puncte, worauf es bey Eulers Meinung ankam, in Zweifel zu ziehen. Newton hatte nämlich aus seinen Versuchen geschlossen, daß bey gleicher Bre- chung der Lichtstrahlen , in verschiedenen Materien auch die Zerstreuung der Farben gleich wäre; oder – um mir der erst ge- nommenen Erlaubniß noch einmahl zu bedienen – daß der Far- benfächer jedesmahl gleich weit geöffnet wäre. 266 Im 16ten Bande der schwed. Abhandlungen. Er zeigte nämlich, daß Newtons Regel nur bey geringen mittleren Brechungen statt haben oder wenigstens verführen könne (πμ !!) aber sonst nicht. Denn die stärcker gebrochenen Strahlen fallen ja auch unter andern Wincke[l]n ein NB. Also was Newton behauptete fand nur bey gleichen Mitteln Statt, aber nicht bey ungleichen, denn da wurde der Strahl nicht mehr so viel zurück gebogen. und brachte man ihn dahin, daß er parallel ausfuhr so waren die Farben wiederum nicht aufgehoben. 267 – Dieses war es nun was Klingenstierna in Zweifel zog. siehe Gesamtregister.
0 200717 Personenregister ~ Lichtenberg, Georg Christoph ~ Biographisches ~ gez. πμ ~ Optik. 31752 4 88 17 lichtenberg πμ siehe Gesamtregister.
0 200717 Personenregister ~ Newton, Isaac ~ Autorität. 22851 4 88 27 lichtenberg Newton siehe Gesamtregister.
0 200717 745141 Personenregister ~ Jöcher, Christian Gottlieb ~ Schriften ~ Allgemeines Gelehrten-Lexicon (1750–1751). 8663 4 485 268 Jöchers ‚Gelehrten-Lexicon‘ (3, 1751, 890) siehe Gesamtregister.
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