Georg Christoph Lichtenberg

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Seite 166

Band 4 - IX. Von der Wärme und Kälte - Heffte

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0
1 das war ja aber die Würckung des Feuers, die sich also folglich
2 verhält wie die Schnellkrafft.
3 Denn [die] Dichtigkeit der Lufft bleibt ja dieselbe
4 also ist alles Feuer. |
5 7r = 11Hierbey ist sehr zu mercken, daß man hier beständig Lufft von
6 gleicher Dichtigkeit versteht, und daß sich bey gleicher Dichtig-
7 keit, die Kräffte der Wärme verhalten wie Elasticitäten oder wie
8 die Gewichte, die darauf drücken. Wolte man die Raume neh-
9 men durch die die Lufft ausgedehnt wird wenn man ihr freyen
10 Lauf liese so würde man sich irren, denn da wird es gewiß
11 Gräntzen geben über die sie sich nicht mehr ausdehnen läßt, und
12 wo die gröste Hitze sie nicht mehr ausdehnen würde. Hierum
13 bekümmern wir uns aber hier nicht. Genug wir sehen, sie theilt
14 der Lufft anfangs eine solche Federkrafft mit, so können wir
15 nicht anders als voraussetzen, daß es sich immer so verhalten
16 werde. Mit dem Ausdehnen in den Raum hat es eine andere
17 Bewandniß, da kann am Ende selbst die größere Ausdehnung
18 dieses hindern, ob gleich die Lufft vorher eine 100fältige Ela-
19 sticität hätte, so ist es keine Folge, daß sie des-
20 wegen in den Hundertfachen Raum ausgebreitet
21 werden würde
22 Will man also die Ausdehnung der Lufft bey glei-
23 chem Druck als das Maas der Wärme oder der
24 Krafft der Wärme ansehen so kan man nicht ge-
25 nug bedencken, daß jezt von einerley Dichtigkeit
26 die Rede ist.
27 Hieraus ergiebt sich nun das erste Lufft Ther-
28 mometer das Amontonsche. worin die Kugel so
29 groß angenommen werden kan, daß die Fläche
30 Bild im TextB C nicht mercklich verändert wird205 |
31 7v = 12Zu dieser Höhe wird die Barometer Höhe immer hinzu addirt.
32 Hiebey muß recht begreiflich gemacht werden, daß wenn die
33 Kugel sehr groß ist, die Dichtigkeit der Lufft nicht verändert
34 wird.
35 Nun auf das zugeschmoltzene Bernoullische.206

Textkritischer Kommentar

166 22 – 23  Ausdehnung … Druck]
166für Krafft der Wärme
textkritik 220102
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166 23  als]
166davor gestr. durch
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166 27  Lufft]
166erg.
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Textkritischer Kommentar (Randtext)

Anmerkungen

548 205 
548Durch seine Experimente hatte Amontons herausgefun­den: Wenn Luft sich stets im selben Kondensationszustand be­findet, d. h. das Volumen konstant ist, wächst die Federkraft oder Elastizität dieser Luft mit den Wärmegraden, d. h. mit steigender Temperatur. Aufgrund dieser Überlegungen konstru­iert Amontons sein Luftthermometer. Das abgebildete Thermo­meter (Amontons, Discours 1702, 159 [Fig. 1]) ist bei A offen und bei D geschlossen. In das Rohr A B C E wird bei mittlerer Temperatur und Normaldruck so viel Quecksilber eingefüllt, daß es 28 (Pari­ser) Zoll über der Linie BE steht, die Luft in D ist dann einem Druck von 56 Zoll ausgesetzt. Im siedenden Wasser steht die Quecksilbersäule bei 45 Zoll, sodaß die Luft einem Druck von 73 Zoll ausgesetzt ist. In Eiswasser steht die Säule bei 24 Zoll, das entspricht einem Druck von 52 Zoll. |
549 Bild im TextWenn das Rohrvolumen A B C E vernachlässigbar klein gegen das Kugelvo­lumen ist, dann wird sich die Federkraft der Luft stets in gleichem Verhält­nis ändern. Bei konstanter Dichte der Luft sind Federkraft und Wärme zueinander proportional. Will man die Messungen unterschiedlicher Ther­mometer miteinander vergleichen, so muß das Volumenverhältnis des Kol­bens D zu jenem des Rohres A B C E bei allen das gleiche sein. Da Füllung und Eichung – konstanter und invariabler Fixpunkt ist der Wärmegrad kochen­den Wassers – bei einem Luftdruck von 28 Zoll geschehen ist, muß bei jeder Temperaturmessung auch der jeweilige Luftdruck vermerkt wer­den. „Das beschriebene Thermometer“, schreibt daher Muncke, „unterliegt hauptsächlich dem Fehler, daß es eigentlich nur ein Manometer ist und daß seine Veränderungen vom gemeinschaftlichen Einflusse der Wärme und des äußeren Luftdruckes abhängen“. (Gehler, Wörterbuch 9.2, 1839, 831.)
anmerkung 220105
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549 206 
549 Im zehnten Abschnitt seiner 1738 veröffentlichten ‚Hydrodynamik‘ handelt Daniel Bernoulli „Über die Eigenschaften und Bewegungen elasti­scher Flüssigkeiten, vorzugsweise der Luft.“ (Bernoulli, Hydrodynamik 1965, 198 – 238.) Als Eigenschaften der sogenannten fluida elastica be­zeichnet er Schwere, Expansionsfähigkeit und Komprimierbarkeit. Die fluida elastica, also auch die Luft, setzen sich zusammen aus kugelförmigen klei­nen Teilchen, die sich mit ungeheurer Geschwindigkeit unterschiedslos nach allen Richtungen bewegen. Aus diesem kinetischen Ansatz leitet Bernoulli das Boyle-Mariottesche Gesetz ab. (§ 1 – 5 von Sectio X.) Die Elastizität der Luft, so führt er im § 6 aus, kann aber nicht nur durch Verminderung des Volumens, sondern auch durch Steigerung der Wärme (Erhöhung der Temperatur) wachsen. Da die Wärme sich durch wachsende innere Bewe­gung der Partikeln vermehrt, muß auch die Elastizität der Luft (d. h. der Druck der Luft) mit wachsender Bewegung ihrer Partikeln wachsen, wenn eine Vergrößerung des Volumens nicht möglich ist. Ein Gewicht, das der eingeschlossenen Luft das Gleichgewicht hält, muß proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit der Luftpartikeln vergrößert werden, weil sowohl die Intensität als auch die Häufigkeit der Stöße mit der Geschwin­digkeit wächst und jede der beiden Größen proportional zu diesem Gewicht und damit auch proportional zur Elastizität der eingeschlossenen Luft ist. Das Ergebnis seiner Überlegungen faßt Bernoulli im § 7 als Theorem zu­sammen: „dass in jeder Luft von irgendwelcher Dichtigkeit aber mit dem gleichen Wärmegrad behaftet, die Elastizitäten sich wie die Dichtigkeiten verhalten, und dass daher auch die Zunahme der Elastizitäten, die durch gleichmäßig erhöhte Wärme entstehen[!], proportional den Dichtigkeiten ist.“ (Bernoulli, Hydrodynamik 1965, 200.) Daraus folgert Bernoulli im § 8: „Aus dem erkannten Verhältnis zwischen den verschiedenen Elasti­zitäten der gleichen und im gleichen Raum eingeschlossenen Luft ist es leicht ein Maß der Wärme abzuleiten, die der Luft eigen ist, wenn wir nur in der Definition der doppelten, dreifachen etc. Wärme übereinstimmen, einer Definition, die willkürlich ist und nicht in der Natur der Sache gelegen ist. Mir erscheint es allerdings nicht unangemessen, die Wärme der Luft von |
550 gleicher Dichte proportional dieser Elastizität anzusetzen. Der erste Wärme­grad aber, von dem die übrigen ihr Maß erhalten, werde vom siedenden Regenwasser abgenommen, weil ja diesem überall auf der Erde nahezu derselbe Wärmegrad zukommt.“ (Ebd., 201.)Bild im TextFür seine Messungen benutzt Bernoulli ein Barometer A C B E (vgl. die Abb.), das er in ein Luftthermometer abändert, indem er es bei m durch Abschmelzen hermetisch verschließt. Steigt nun der Druck der Luft in A m F durch zunehmende Wärme, dann wird die Höhe der Quecksilbersäule BD, die dem Druck der in A m F eingeschlossenen Luft das Gleichgewicht hält, proportional zur Wärme in A m F sein, wenn das Volumen A m F als unend­lich groß gegen das Rohrvolumen angesehen werden kann. Zur Eichung wird das Thermometer in vertikaler Stellung in siedendes Regenwasser eingetaucht und der Punkt G, bis zu dem die Quecksilbersäule steigt, mar­kiert. Wenn nun die Quecksilbersäule bei irgend einer anderen Temperatur bis zum Punkte D steigt, dann wird sich der dieser Höhe entsprechende Wärmegrad zu dem des siedenden Wassers wie B D zu B G verhalten. Für eine genaue Messung muß man dann so verfahren: Man zieht eine Hori­zontale A F L und neigt dann bei der Bestimmung eines beliebigen Wärme­grades das Barometer so weit, bis die Quecksilbersäule bei g steht und damit die Länge hat, die sie in der senkrechten Lage hatte, wenn A m F in siedendem Regenwasser stand, d. h. B g = B G, also verhält sich der Luft­druck der zu bestimmenden Wärme zu dem des siedenden Wassers wie g h zu B G und die Wärmegrade können in g h gemessen werden. Damit sich die Linie A F nicht hebt, muß das Thermometer vor dem Neigen um 90° um die Vertikale gedreht werden. – Wenn man das etwas umständliche Verfahren vermeiden möchte, das Thermometer bei jeder Messung neigen zu müssen, |
551 kann man die Größe g h durch Rechnung ermitteln, wie Segner gezeigt hat. (Vgl. Segner, Programma 1739.)
anmerkung 220106
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Anmerkungen

Herausgeberkorrekturen am Drucktext

Marginalien zur sechsten Auflage

Anmerkungen von Lichtenberg

Registereinträge

0 200796 745664 Personenregister ~ Amontons, Guillaume ~ Schriften ~ Discours sur quelques propriétés de l’air et le moyen d’en connoître la température dans tous les climats de la terre (1702). 7824 4 548 205 Amontons, Discours 1702 siehe Gesamtregister.
0 200796 Personenregister ~ Amontons, Guillaume ~ Luftthermometer. 23309 4 166 28 lichtenberg Amontonsche siehe Gesamtregister.
0 200796 Verzeichnis der edierten Handschriften ~ NL VIII E 5 ~ Bl. 6/7. 30416 4 166 5 7r siehe Gesamtregister.
0 200749 745665 Personenregister ~ Bernoulli, Daniel I. ~ Schriften ~ Hydrodynamica, sive de viribus et motibus fluidorum commentarii (1738) ~ Hydrodynamik (dt. von K. Flierl 1965). 6451 4 549 206 Bernoulli, Hydrodynamik 1965 siehe Gesamtregister.
0 200796 Personenregister ~ Bernoulli, Daniel I. ~ Luftthermometer. 12887 4 166 35 lichtenberg Bernoullische . siehe Gesamtregister.
0 200796 Sachregister ~ Luft (Gas) ~ Ausdehnung durch Wärme ~ Anwendung im Thermometer. 23266 4 166 22-24 lichtenberg Ausdehnung der Lufft bey glei- chem Druck als das Maas der Wärme oder der Krafft der Wärme siehe Gesamtregister.
0 200796 Sachregister ~ Luft (Gas) ~ Proportionalität von Temperatur und Druck (Gesetz von Amontons) ~ Herleitung. 23318 4 166 1-4 lichtenberg 1 das war ja aber die Würckung des Feuers, die sich also folglich verhält wie die Schnellkrafft. Denn [die] Dichtigkeit der Lufft bleibt ja dieselbe also ist alles Feuer. siehe Gesamtregister.
0 200796 Sachregister ~ Luft (Gas) ~ Proportionalität von Volumen und Temperatur (Gesetz von Gay-Lussac). 12903 4 166 8-13 lichtenberg Wolte man die Raume neh- men durch die die Lufft ausgedehnt wird wenn man ihr freyen Lauf liese so würde man sich irren, denn da wird es gewiß Gräntzen geben über die sie sich nicht mehr ausdehnen läßt, und wo die gröste Hitze sie nicht mehr ausdehnen würde. Hierum bekümmern wir uns aber hier nicht. siehe Gesamtregister.
0 200796 745664 Personenregister ~ Gehler, Johann Samuel Traugott ~ Schriften ~ Physikalisches Wörterbuch. Neu bearbeitet von Brandes […] (1825–1845) ~ Art. Thermometer. 19473 4 549 205 Gehler, Wörterbuch 9.2, 1839, 831 siehe Gesamtregister.
0 200796 Sachregister ~ Luftthermometer ~ Amontons’. 3627 4 166 27-30 lichtenberg Hieraus ergiebt sich nun das erste Lufft Ther- mometer das Amontonsche. worin die Kugel so groß angenommen werden kan, daß die Fläche B C nicht mercklich verändert wird siehe Gesamtregister.
0 200796 Sachregister ~ Luftthermometer ~ Bernoullis. 3628 4 166 35 lichtenberg das zugeschmoltzene Bernoullische siehe Gesamtregister.
0 200749 745665 Personenregister ~ Segner, Johann Andreas von ~ Schriften ~ De aequandis thermometris aeris (1739). 9323 4 551 206 Segner, Programma 1739 siehe Gesamtregister.
20074952cefd0e72910645211686
20075052cefd0f41713813373095
1456932408143

Abbildungen

Digitalisate

0200796416600handschriftVNat_4VIII_E_05_006v.jpg6v = 10 VIII E 5, 6v = 10
02007964166501handschriftVNat_4VIII_E_05_007r.jpg7r = 11 VIII E 5, 7r = 11
020079641663101handschriftVNat_4VIII_E_05_007v.jpg7v = 12 VIII E 5, 7v = 12
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