Georg Christoph Lichtenberg

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Seite 952

Band 1 - ...rginalien in Lichtenbergs Handexemplar der sechsten Auflage

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1 *) Die Existenz dieses Wesens, wovon der Begriff mit dem Ruhm seines
2 großen Gründers, Stahls, bald mehr bald minder modificirt, sich über
3 ganz Europa verbreitet hatte, wird jetzt auf Veranlassung des Hrn. Lavoi-
4 sier und einiger andern, vorzüglich Französischer Chemisten, fast allge-
5 mein nicht blos in Zweifel gezogen, sondern mit außerordentlicher Zuver-
6 sicht schlechtweg geläugnet. Viele von den Phänomenen, die man bisher
7 durch Beytritt und Entfernung des Phlogistons erklärt hat, erklärt man
8 nemlich, und gewiß nicht selten sehr glücklich und adäquat, umgekehrt
9 durch Entfernung und Beytritt eines andern eignen Grundstoffes, den man
10 den Säurezeugenden (principe oxygène) nennt, der übrigens mit dem Wesen,
11 das er verdrängen soll, auch dieses gemein hat, daß er blos ange­nommen
12 ist und für sich allein nicht hergestellt werden kann. Mit dem Wärmestoff
13 (calorique) und vielleicht dem Lichte verbunden, macht er die
14 dephlogistisirte Luft, gerade so wie nach einigen das Phlogiston mit eben
15 diesem Wärmestoff die inflammable macht. Mit den Metallen verbunden
16 macht er die Metallkalke, mit dem Phosphor, dem Schwefel, dem Stick-
17 stoff, u.s.w. die Phosphorsäure, Vitriolsäure, Salpetersäure, so wie mit
18 andern Grundstoffen die andern Säuren. So weit geht alles sehr gut und,
19 was die Erklärung der Vermehrung des Gewichts bey dem Verbrennen
20 und Verkalken mancher Körper betrifft, allem Anschein nach besser als
21 im alten System. Die Hitze, die beym Verbrennen entsteht, ist nach ihnen
22 das Calorique des Oxygen-Gases, das von seinem Oxygen, welches andere
23 Verbindungen eingegangen ist, getrennt, sich nun frey auf die benachbar-
24 ten Körper wirft. Hierbey hat indessen der philosophische Naturforscher,
25 der immer das Ganze vor Augen haben und nicht, wenn man ihm einige
26 wichtige Zweifel gegen sein bisheriges System gemacht hat, sogleich in das
27 neue flüchten muß, das man ihm darbietet, zu bedenken. 1) Daß die
28 Einfachheit der Metalle in dem neuen System eben so hypothetisch ist, als
29 ihre Zusammentgesetztheit im alten, und eben so die des Phosphors,
30 Schwefels etc. und man also die Lehrmeynung, daß die Zersetzung der
31 dephlogistisirten Luft durch doppelte Verwandtschaft geschähe, nicht zu
32 geschwind aufgeben muß. Sie könnte wieder Mode werden. Einige Metalle
33 verrathen sich wenigstens bey starker Erhitzung lange vor der
34 Verkalchung, durch einen specifiken Geruch. 2) Daß wir mit apodickti-
35 scher Gewißheit blos wissen, daß die Luft durch die Hitze im freyen sehr
36 ausgedehnt und dadurch sehr flüchtig von dem heißen Körper aufwärts
37 weggetrieben wird, und der kältern Platz macht. Daß sie bey großer
38 Erhitzung endlich von manchen heißen Körpern ohne weiteres Zwischen-
39 mittel angehalten werde, die sie kurz vorher noch so sehr schnell floh und
40 immer schneller je heißer sie wurden, ist also eine bloße Hypothese, die
41 kaum so annehmlich ist, als die, daß der verbrennende oder der sich ver-
42 kalchende Körper endlich auch etwas hergebe und sich mit ihr verbinde,
43 wodurch sie ihres Feuerstoffs und ihrer Flüchtigkeit beraubt, ihren noch

Textkritischer Kommentar

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Textkritischer Kommentar (Randtext)

Anmerkungen

Anmerkungen

Herausgeberkorrekturen am Drucktext

Marginalien zur sechsten Auflage

Anmerkungen von Lichtenberg

Registereinträge

0 242772 Sachregister ~ Chemie ~ antiphlogistische (französische, neue) ~ kritische Anmerkungen. 15901 1 952 27-43 lichtenberg 1 1) Daß die Einfachheit der Metalle in dem neuen System eben so hypothetisch ist, als ihre Zusammentgesetztheit im alten, und eben so die des Phosphors , Schwefels etc. und man also die Lehrmeynung, daß die Zersetzung der dephlogistisirten Luft durch doppelte Verwandtschaft geschähe, nicht zu geschwind aufgeben muß. Sie könnte wieder Mode werden. Einige Metalle verrathen sich wenigstens bey starker Erhitzung lange vor der Verkalchung, durch einen specifiken Geruch. 2) Daß wir mit apodickti- scher Gewißheit blos wissen, daß die Luft durch die Hitze im freyen sehr ausgedehnt und dadurch sehr flüchtig von dem heißen Körper aufwärts weggetrieben wird, und der kältern Platz macht. Daß sie bey großer Erhitzung endlich von manchen heißen Körpern ohne weiteres Zwischen- mittel angehalten werde, die sie kurz vorher noch so sehr schnell floh und immer schneller je heißer sie wurden, ist also eine bloße Hypothese, die kaum so annehmlich ist, als die, daß der verbrennende oder der sich ver- kalchende Körper endlich auch etwas hergebe und sich mit ihr verbinde, wodurch sie ihres Feuerstoffs und ihrer Flüchtigkeit beraubt, ihren noch siehe Gesamtregister.
0 242772 Sachregister ~ Chemie ~ antiphlogistische (französische, neue) ~ Grundzüge. 16386 1 952 6-24 lichtenberg Viele von den Phänomenen, die man bisher durch Beytritt und Entfernung des Phlogistons erklärt hat, erklärt man nemlich, und gewiß nicht selten sehr glücklich und adäquat, umgekehrt durch Entfernung und Beytritt eines andern eignen Grundstoffes, den man den Säurezeugenden ( principe oxygène ) nennt, der übrigens mit dem Wesen, das er verdrängen soll, auch dieses gemein hat, daß er blos ange­nommen ist und für sich allein nicht hergestellt werden kann. Mit dem Wärmestoff ( calorique ) und vielleicht dem Lichte verbunden, macht er die dephlogistisirte Luft, gerade so wie nach einigen das Phlogiston mit eben diesem Wärmestoff die inflammable macht. Mit den Metallen verbunden macht er die Metallkalke, mit dem Phosphor, dem Schwefel, dem Stick- stoff, u.s.w. die Phosphorsäure, Vitriolsäure, Salpetersäure, so wie mit andern Grundstoffen die andern Säuren. So weit geht alles sehr gut und, was die Erklärung der Vermehrung des Gewichts bey dem Verbrennen und Verkalken mancher Körper betrifft, allem Anschein nach besser als im alten System. Die Hitze, die beym Verbrennen entsteht, ist nach ihnen das Calorique des Oxygen-Gases , das von seinem Oxygen , welches andere Verbindungen eingegangen ist, getrennt, sich nun frey auf die benachbar- ten Körper wirft. siehe Gesamtregister.
0 242772 Sachregister ~ Phlogiston (brennbares Wesen) ~ Läugnung. 15847 1 952 1-6 lichtenberg Die Existenz dieses Wesens, wovon der Begriff mit dem Ruhm seines großen Gründers, S tahls , bald mehr bald minder modificirt, sich über ganz Europa verbreitet hatte, wird jetzt auf Veranlassung des Hrn. L avoi - sier und einiger andern, vorzüglich Französischer Chemisten, fast allge- mein nicht blos in Zweifel gezogen, sondern mit außerordentlicher Zuver- sicht schlechtweg geläugnet. siehe Gesamtregister.
0 242772 Personenregister ~ Lavoisier, Antoine Laurent ~ Ablehnung der Phlogistontheorie. 11508 1 952 3-4 lichtenberg L avoi - sier siehe Gesamtregister.
0 242772 Sachregister ~ Oxygen ~ Funktion in der antiphlogistischen Chemie. 16387 1 952 9-24 lichtenberg Grundstoffes, den man den Säurezeugenden ( principe oxygène ) nennt, der übrigens mit dem Wesen, das er verdrängen soll, auch dieses gemein hat, daß er blos ange­nommen ist und für sich allein nicht hergestellt werden kann. Mit dem Wärmestoff ( calorique ) und vielleicht dem Lichte verbunden, macht er die dephlogistisirte Luft, gerade so wie nach einigen das Phlogiston mit eben diesem Wärmestoff die inflammable macht. Mit den Metallen verbunden macht er die Metallkalke, mit dem Phosphor, dem Schwefel, dem Stick- stoff, u.s.w. die Phosphorsäure, Vitriolsäure, Salpetersäure, so wie mit andern Grundstoffen die andern Säuren. So weit geht alles sehr gut und, was die Erklärung der Vermehrung des Gewichts bey dem Verbrennen und Verkalken mancher Körper betrifft, allem Anschein nach besser als im alten System. Die Hitze, die beym Verbrennen entsteht, ist nach ihnen das Calorique des Oxygen-Gases , das von seinem Oxygen , welches andere Verbindungen eingegangen ist, getrennt, sich nun frey auf die benachbar- ten Körper wirft. Hierbey hat indessen der philosophische Naturforscher, siehe Gesamtregister.
0 242772 Personenregister ~ Stahl, Georg Ernst ~ Phlogistontheorie. 11507 1 952 2 lichtenberg S tahls siehe Gesamtregister.
1431522093895

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