Zeugnisse über Lichtenberg
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1größten Vergnügen hörte ich sie, besonders die über Experimen-
2tal-Physik. Lichtenberg war ein trefflicher Physiker. Sehr an-
3genehm, populair und deutlich war sein Lehrvortrag. Auch ohne
4Vorkenntnisse konnte Jeder ihn verstehen. Freundlich war er da-
5bey immer. Ich schrieb seine Lehrvorträge nicht im Hörsaale nach;
6ich behielt sie lieber im Gedächtniß und schrieb sie nach der Stun-
7de aus dem Gedächtniß zu Haus auf so gut ich konnte. Lichten-
8berg war zugleich ein großer Humorist, von unerschöpflichem,
9nicht leicht Jemand kränkenden Witz, was Jeder schon aus seinen
10gedruckten Schriften sehen kann. Sein großer Geist befand sich in
11einem kleinen sehr elenden, vorn und hinten gebuckelten Körper,
12den er, was freilich eine verzeihliche Schwäche von ihm war, aber
13vergebens, zu verbergen suchte. Während seines Vortrages stand
14er vor einem langen breiten Tische, auf den er sein Compendium
15(Erxlebens von ihm verbesserte und vermehrte Naturlehre) und
16[p. 15:] seine große goldene Taschenuhr161 legte, hinter seinem
17Rücken befand sich an der Wand eine große schwarze Tafel. Wenn
18er an dieselbe etwas schrieb oder zeichnete, was mit sicherer Hand
19und recht schön geschah, so drehte er seinen Rücken nie nach
20seinen Zuhörern hin, vielmehr blieb derselbe hierbey immer nach
21der Tafel oder Wand hingewendet. Gut verstand es unser Profes-
22sor blos die Hand mit der Kreide an der Tafel herumzuführen und
23doch sehr gut zu schreiben und zu zeichnen. Immer ging er, damit
24seine Zuhörer den Buckel nicht sehen sollten, von seiner Stube aus
25seitwärts in den anstoßenden Hörsaal; und eben so ging er auch
26wieder heraus. […] [p. 23:] Doch war [Kästner] eben so uneigen-
27nützig, wie Lichtenberg. Gern erließen beide den unbemittelten
28Studirenden das Collegiengeld, was bey den Professoren nicht im-
29mer der Fall war. […].162