Georg Christoph Lichtenberg

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Band 2 - Teil I - Statik und Mechanik

IV. Statik und Mechanik. §. 95.
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1neben einander sitzen hat. – Ein guter Kenner kann es Kupfern
2und Gemählden leicht ansehen, ob die Figuren in Natura so ste-
3hen könnten.
4Es gewährt eine angenehme Unterhaltung die Menschen zuwei-
5len auf der Straße zu betrachten, wenn sie etwas tragen. So die
6Kerls, welche Körbe vor sich tragen. Die Waare in denselben und
7also der Korb überhaupt, macht mit ihnen ein Sy|stem aus. Wie215
8sie sich also zurückbeugen müssen! Die Schwangeren, die ihre
9Schwangerschaft am ersten durch ihren Gang verrathen, müssen
10sich aus dem nämlichen Grunde zurückelegen. Auch die Wanst-
11bäuche müssen es thun. Weil es nun aber auch solche öfters thun,
12die keinen Wanst und überhaupt keine Ursache dazu haben: so
13mag wohl daher die Phrase: dicke thun, für stolz sich gebährden,
14entstanden seyn.∗
15Ausserdem sieht man noch viele andere poßirliche Stellungen216
16auf der Strasse. Man betrachte z.B. nur ein Göttingisches Mäd-
17chen, mit einem Wasser Eimer in der einen Hand, wie sie mit
18der andern balanciren muß um nicht aus dem Gleichgewicht zu
19kommen! Welches dann auch bey einer tüchtigen Faust recht gut
20von statten geht.
21Bey dieser Gelegenheit muß auch der Streit berührt werden,
22ob die Paßgänger (equi gradarii) die Beine von beyden Seiten
23zugleich aufheben oder nur von einer? Ein berühmter Physiker
24hat dieß letztere für statisch unmöglich gehalten. Allein es ist
25statisch | und physiologisch möglich, wie die Erfahrung lehret.217
26Sie heben zwar die beyden Beine derselben Seite, nicht gerade in
27dem nämlichen Augenblicke auf; indeß schweben doch beyde so
28ziemlich zu gleicher Zeit in der Luft. Man muß die Pferde von
29hinten oder von vorne ansehen, wenn man es gut beobachten

Textkritischer Kommentar

Textkritischer Kommentar (Randtext)

Anmerkungen

91 ∗ 
91
1Eine Stelle aus Lichtenbergs Erklärung der Hogartischen Kupfersti-
2che (5te Lief. S. 201.) wo von der poßirlichen Stellung eines Schneiders
3die Rede ist, der mit einer großen schweren Trommel am Bauche doch ein
4tiefes Kompliment machen will – ist hier wohl nicht am unrechten Orte.
5»Aber ohne allen Scherz: das Lächerliche bey dieser Stellung besteht
6eigentlich darinn, daß der Mann das Unmögliche möglich machen will,
7ich meine einen Bauch tragen und zugleich dünne thun. So was ist gegen
8die ewigen Gesetze des Schwerpunkts und der Natur. Wer einen Bauch
9trägt, der thue dick, das ist ihr ewiger Wille. Dieser Bauch sey nun eine
10Trommel, oder eine hängende Boutique mit Glas oder mit Nürnberger
11Waare, oder ein gesegneter Leib, und dieser Segen bestehe nun aus
12Schmalz oder aus guten Hoffnungen, das ist alles einerley.«
anmerkung 1
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Anmerkungen

Herausgeberkorrekturen am Drucktext

Marginalien zur sechsten Auflage

Anmerkungen von Lichtenberg

Registereinträge

0 243641 798004 Personenregister ~ Hogarth, William. 444 2 91 1 * kapitalis Hogartischen siehe Seite 1031. siehe Gesamtregister.
0 243641 Sachregister ~ Schwerpunkt ~ Paßgang. 18893 2 91 21-29 1 Bey dieser Gelegenheit muß auch der Streit berührt werden, ob die Paßgänger ( equi gradarii ) die Beine von beyden Seiten zugleich aufheben oder nur von einer? Ein berühmter Physiker hat dieß letztere für statisch unmöglich gehalten. Allein es ist statisch | und physiologisch möglich, wie die Erfahrung lehret. 217 Sie heben zwar die beyden Beine derselben Seite, nicht gerade in dem nämlichen Augenblicke auf; indeß schweben doch beyde so ziemlich zu gleicher Zeit in der Luft. Man muß die Pferde von hinten oder von vorne ansehen, wenn man es gut beobachten siehe Gesamtregister.
0 243641 798004 Personenregister ~ Lichtenberg, Georg Christoph ~ Schriften ~ Ausführliche Erklärung der Hogarthischen Kupferstiche (1794–1833) ~ Lfg. 5 (1799). 16641 2 91 1-2 * 1 Eine Stelle aus Lichtenbergs Erklärung der Hogartischen Kupfersti- 2 che (5te Lief. S. 201.) siehe Gesamtregister.
0 243641 Sachregister ~ Biomechanik ~ Schwerpunkt. 5699 2 91 1-29 1 1 neben einander sitzen hat. – Ein guter Kenner kann es Kupfern und Gemählden leicht ansehen, ob die Figuren in Natura so ste- hen könnten. Es gewährt eine angenehme Unterhaltung die Menschen zuwei- len auf der Straße zu betrachten, wenn sie etwas tragen. So die Kerls, welche Körbe vor sich tragen. Die Waare in denselben und also der Korb überhaupt, macht mit ihnen ein Sy|stem aus. Wie 215 sie sich also zurückbeugen müssen! Die Schwangeren, die ihre Schwangerschaft am ersten durch ihren Gang verrathen, müssen sich aus dem nämlichen Grunde zurückelegen. Auch die Wanst- bäuche müssen es thun. Weil es nun aber auch solche öfters thun, die keinen Wanst und überhaupt keine Ursache dazu haben: so mag wohl daher die Phrase: dicke thun, für stolz sich gebährden, entstanden seyn. ∗ Ausserdem sieht man noch viele andere poßirliche Stellungen 216 auf der Strasse. Man betrachte z.B. nur ein Göttingisches Mäd- chen, mit einem Wasser Eimer in der einen Hand, wie sie mit der andern balanciren muß um nicht aus dem Gleichgewicht zu kommen! Welches dann auch bey einer tüchtigen Faust recht gut von statten geht. Bey dieser Gelegenheit muß auch der Streit berührt werden, ob die Paßgänger ( equi gradarii ) die Beine von beyden Seiten zugleich aufheben oder nur von einer? Ein berühmter Physiker hat dieß letztere für statisch unmöglich gehalten. Allein es ist statisch | und physiologisch möglich, wie die Erfahrung lehret. 217 Sie heben zwar die beyden Beine derselben Seite, nicht gerade in dem nämlichen Augenblicke auf; indeß schweben doch beyde so ziemlich zu gleicher Zeit in der Luft. Man muß die Pferde von hinten oder von vorne ansehen, wenn man es gut beobachten siehe Gesamtregister.
0 243641 Sachregister ~ Pferd ~ Paßgang. 18855 2 91 28 Pferde siehe Gesamtregister.
1438173362670

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