Georg Christoph Lichtenberg

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Seite 170

Band 2 - Teil I - Hydrostatik

Erstes Bändchen.
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1über der See. Freylich muß man hier | auch auf das Salzwasser der441
2See Rücksicht nehmen.
3Daß es beym specifischen Gewichte des menschlichen Körpers
4erstaunende Ausnahmen gebe, lehrt das Beyspiel eines gewissen
5Paolo Moccia. Der Bursche wog 300 Neapolitanische Pfunde,
6und sein specifisches Gewicht war um 30 Pfunde geringer, als das
7des Wassers, oder es verhielt sich zum letztern, wie 10 : 9. Er
8machte um das Jahr 1767 in der Bay von Neapel verschiedene
9Künste, weswegen er denn auch in die meisten Compendien der
10Physik gekommen ist. Er sank im Meere nicht weiter ein, als
11bis mitten an die Brust, und konnte alle möglichen Stellungen
12im Wasser annehmen. Die Geschichte findet man umständlich
13in Karstens Lehrbegr. der Mathem. 3. Band erzählt. | Er war442
14übrigens auch ein Gelehrter und schrieb verschiedenes.
15Da nun das spec. Gewicht des menschlichen Körpers dem
16Gewichte des Wassers fast gleich kömmt; woher kömmt es doch,
17daß so viele Menschen im Wasser ertrinken, und daß sie über-
18haupt das Schwimmen so schwer lernen? Ist es nicht sonderbar,
19der kleine Hund, der noch kaum aus dem Leibe seiner Mut-
20ter gekrochen, die Schweine schwimmen so geschickt, und der
21Mensch, der Herr der Schöpfung, kann es so schwer begrei-
22fen, und ist dabey so vielen Gefahren ausgesetzt? Es sind daran
23vorzüglich zwey Ursachen Schuld, eine physische und eine mora-
24lische.
25Was die Physische betrifft, so besteht sie in der genannten Lage
26beym Schwimmen. Wir können nicht so | schwimmen, wie wir443
27gehen. Kröchen wir von Jugend auf, auf allen Vieren, so sollte es
28gewiß leichter gehen. Ferner sind wir nicht gewohnt, den Kopf
29lange in die Höhe zu halten, welches doch ein Haupterforderniß
30beym Schwimmen ist, weil am Kopf der Trichter steckt, durch
31welchen das Wasser in den Körper gegossen wird. Hier sind also
32die Thiere wieder besser daran.
33Weit wichtiger aber ist noch die moralische Ursache. Wir fürch-
34ten uns, denn wir wissen, daß wir sterben können. Wir ver-
35lieren also gleich die Gegenwart des Geistes, auf welche alles
36ankommt. Wenn Jemand von dem Thurm herabfällt, so ist es für
37den Zuschauer schrecklicher als für ihn selbst. Das Urtheil wird
38nämlich zu gleicher Zeit gesprochen und vollzogen. | – Hieraus ist444
39auch so vieles bey den Nachtwandlern zu erklären.
40Hingegen, wenn der Mensch das Schwimmen betreibt: so kann
41er es auch so weit bringen, daß er selbst die Schwimmthiere über-

Textkritischer Kommentar

Textkritischer Kommentar (Randtext)

Anmerkungen

Anmerkungen

Herausgeberkorrekturen am Drucktext

Marginalien zur sechsten Auflage

Anmerkungen von Lichtenberg

Registereinträge

0 243720 Sachregister ~ Mensch ~ Unterschiede zu Tieren. 20622 2 170 18-39 Ist es nicht sonderbar, der kleine Hund, der noch kaum aus dem Leibe seiner Mut- ter gekrochen, die Schweine schwimmen so geschickt, und der Mensch, der Herr der Schöpfung, kann es so schwer begrei- fen, und ist dabey so vielen Gefahren ausgesetzt? Es sind daran vorzüglich zwey Ursachen Schuld, eine physische und eine mora- lische. Was die Physische betrifft, so besteht sie in der genannten Lage beym Schwimmen. Wir können nicht so | schwimmen, wie wir 443 gehen. Kröchen wir von Jugend auf, auf allen Vieren, so sollte es gewiß leichter gehen. Ferner sind wir nicht gewohnt, den Kopf lange in die Höhe zu halten, welches doch ein Haupterforderniß beym Schwimmen ist, weil am Kopf der Trichter steckt, durch welchen das Wasser in den Körper gegossen wird. Hier sind also die Thiere wieder besser daran. Weit wichtiger aber ist noch die moralische Ursache. Wir fürch- ten uns, denn wir wissen, daß wir sterben können. Wir ver- lieren also gleich die Gegenwart des Geistes, auf welche alles ankommt. Wenn Jemand von dem Thurm herabfällt, so ist es für den Zuschauer schrecklicher als für ihn selbst. Das Urtheil wird nämlich zu gleicher Zeit gesprochen und vollzogen. | – Hieraus ist 444 auch so vieles bey den Nachtwandlern zu erklären. siehe Gesamtregister.
0 243720 Sachregister ~ Mensch ~ Körper ~ spezifisches Gewicht. 20623 2 170 3-7 Daß es beym specifischen Gewichte des menschlichen Körpers erstaunende Ausnahmen gebe, lehrt das Beyspiel eines gewissen Paolo Moccia. Der Bursche wog 300 Neapolitanische Pfunde, und sein specifisches Gewicht war um 30 Pfunde geringer, als das des Wassers, oder es verhielt sich zum letztern, wie 10 : 9. siehe Gesamtregister.
0 243720 Sachregister ~ Neapel ~ Paolo Moccias Schwimmkünste. 20636 2 170 8 Neapel siehe Gesamtregister.
0 243720 Personenregister ~ Karsten, Wenzeslaus Johann Gustav ~ Schriften ~ Lehrbegriff der gesamten Mathematik (1767–1777 u.ö.) ~ Th. 3: Die statischen Wissenschaften (1769). 5974 2 170 13 Karstens Lehrbegr. der Mathem. 3. Band siehe Gesamtregister.
0 243720 Sachregister ~ Schwimmen ~ Mensch. 20619 2 170 1-41 1 1 über der See. Freylich muß man hier | auch auf das Salzwasser der 441 See Rücksicht nehmen. Daß es beym specifischen Gewichte des menschlichen Körpers erstaunende Ausnahmen gebe, lehrt das Beyspiel eines gewissen Paolo Moccia. Der Bursche wog 300 Neapolitanische Pfunde, und sein specifisches Gewicht war um 30 Pfunde geringer, als das des Wassers, oder es verhielt sich zum letztern, wie 10 : 9. Er machte um das Jahr 1767 in der Bay von Neapel verschiedene Künste, weswegen er denn auch in die meisten Compendien der Physik gekommen ist. Er sank im Meere nicht weiter ein, als bis mitten an die Brust, und konnte alle möglichen Stellungen im Wasser annehmen. Die Geschichte findet man umständlich in Karstens Lehrbegr. der Mathem. 3. Band erzählt. | Er war 442 übrigens auch ein Gelehrter und schrieb verschiedenes. Da nun das spec. Gewicht des menschlichen Körpers dem Gewichte des Wassers fast gleich kömmt; woher kömmt es doch, daß so viele Menschen im Wasser ertrinken, und daß sie über- haupt das Schwimmen so schwer lernen? Ist es nicht sonderbar, der kleine Hund, der noch kaum aus dem Leibe seiner Mut- ter gekrochen, die Schweine schwimmen so geschickt, und der Mensch, der Herr der Schöpfung, kann es so schwer begrei- fen, und ist dabey so vielen Gefahren ausgesetzt? Es sind daran vorzüglich zwey Ursachen Schuld, eine physische und eine mora- lische. Was die Physische betrifft, so besteht sie in der genannten Lage beym Schwimmen. Wir können nicht so | schwimmen, wie wir 443 gehen. Kröchen wir von Jugend auf, auf allen Vieren, so sollte es gewiß leichter gehen. Ferner sind wir nicht gewohnt, den Kopf lange in die Höhe zu halten, welches doch ein Haupterforderniß beym Schwimmen ist, weil am Kopf der Trichter steckt, durch welchen das Wasser in den Körper gegossen wird. Hier sind also die Thiere wieder besser daran. Weit wichtiger aber ist noch die moralische Ursache. Wir fürch- ten uns, denn wir wissen, daß wir sterben können. Wir ver- lieren also gleich die Gegenwart des Geistes, auf welche alles ankommt. Wenn Jemand von dem Thurm herabfällt, so ist es für den Zuschauer schrecklicher als für ihn selbst. Das Urtheil wird nämlich zu gleicher Zeit gesprochen und vollzogen. | – Hieraus ist 444 auch so vieles bey den Nachtwandlern zu erklären. Hingegen, wenn der Mensch das Schwimmen betreibt: so kann er es auch so weit bringen, daß er selbst die Schwimmthiere über- siehe Gesamtregister.
0 243720 Personenregister ~ Moccia, Paolo ~ Schwimmkünste. 20635 2 170 5 kapitalis Paolo Moccia siehe Gesamtregister.
1445872392406

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