1Sonne den Leuten zu Alexandria im Sommer des Mittags fast über
2den Köpfen wegging, so war sie um eben die Zeit, Andern sehr
3weit vom Scheitel weg.
4Alle diese Erscheinungen, zu welchen noch der Anblick der
5Sonne, und des Mondes kam, die sich jedem Auge rund darstellen,
6konnte man sich nicht gut anders erklären, als daß man die Erde
7rundlich annahm; und weil denn die Kugelgestalt diejenige ist,
8die sich dem Verstande am ersten darstellt, so nahm man an: die
9Erde sey eine Kugel, die in dem Mittelpunkte einer andern hohlen
10hängt, | an der sich Sonne, Mond und Sterne befinden. – Eine16
11größere Ueberzeugung von der Runde der Erde, als die sich auf
12diese Beobachtungen gründet, hatte der Mensch lange nicht, und
13erst in den neuern Zeiten, da man die Erde wirklich umsegelte,
14und den Schatten derselben auf dem Monde beobachtete, kam
15man hierüber zur völligen Gewißheit.
16Bey der Kugelform der Erde, muß man sich ja nicht durch die
17Berge stören lassen. Es hatte einstens Jemand den Einfall, diese
18auf den Globus zu tragen. Natürlich fing er mit dem Cschim-
19borasso an. Dieser ist 3217 Toisen oder 19302 Fuß hoch, also
2077 mahl höher, als der Jacoberthurm in Göttingen, dessen Höhe
21250 Fuß beträgt. Er wollte ihn anfangs durch eine Gipserhöhung
22darstellen – das ging nicht; dann durch Farben – das ging | auch17
23nicht; und so mußte er es beym Alten bewenden lassen.
24Das Uebrige von der Erde, was noch hierher gehörte, wird
25bey der theorischen Astronomie vorkommen. Nur von dem Hori-
26zonte, der sich so ganz auf die Erde bezieht, muß hier noch etwas
27gesagt werden.
28Wenn man sich durch den Punkt der Erde, auf welchem man
29steht, eine Ebene gelegt denkt, daß sie mit einer Linie, die von
30jenem Punkte zum Centrum der Erde geht, einen rechten Win-
31kel macht, und sich allenthalben so weit ausdehnt, bis sie die
32Himmelskugel berührt: so heißt diese Ebene, noch gewöhnlicher
33aber, der Umkreis derselben, der Horizont. Befinden wir uns auf
34einem sehr weiten, ebenen Felde, oder auf der See, wo wir über
35die Erd- und Meeres-Oberfläche nach allen Seiten hin frey wegse-
36hen können: | so scheint es uns, als ob wir diese Ebene wirklich18
37gewahr würden, uns auf ihr befänden, und der Himmel, wie ein
38hohles Gewölbe rings herum auf dieselbe aufläge. – Der Wahrheit
39gemäßer, sollte diese Ebene nicht durch einen Punkt auf der Ober-
40fläche der Erde, sondern durch den Mittelpunkt derselben gelegt
41werden. Dieß muß auch häufig so geschehen; und dann heißt