Georg Christoph Lichtenberg

  • Start
  • Bände
  • Register
  • Suche
  • Hilfe
Seite 887

Band 2 - Teil V - Meteorologie

II. 3. Von den wässerichten Lufterscheinungen.
887
244436
244438
2
0
1Naturerscheinungen erklären kann, darf man zu keinen unbe-
2kannten seine Zuflucht nehmen; und daß jenes hier angehe, wird
3sich nun leicht zeigen lassen.
4Alle Wasserdämpfe bestehen bekanntlich aus Wasser- und aus
5Wärmestoff, | die sich mit einander, obgleich sehr schwach ver-216
6binden. Wird dieser Wärmestoff von ihnen durch irgend eine
7Ursache ganz abgeschieden, so kömmt wieder das liquide Wasser
8zum Vorschein. Allein nirgends in der Natur erfolgt eine solche
9gänzliche Abscheidung auf einmahl. Sondern jedesmahl, so oft
10Wasserdämpfe sich zersetzen wollen, verwandeln sie sich erst in
11einen sichtbaren, noch nicht alles Wärmestoffs beraubten Dunst
12oder in eine bläschenförmige Gestalt. Und dieß ist das Erste,
13was hier bemerkt werden muß. Saussüre, wie schon erwähnt
14wurde, war der erste, der diese Entdeckung machte. Er machte
15sie auf den Alpen, mitten im Nebel selbst. Man kann aber eine
16solche Beobachtung auch im Zimmer anstellen. Gießt man heisse
17schwarze Dinte, oder heissen schwarzen Caffee ohne Milch in
18eine Tasse, so sieht man einen emporsteigenden Nebel. Geht man |
19nun damit vor das Fenster, so überzieht sich die Oberfläche gleich-217
20sam mit einem matten Silber. Betrachtet man dann dieß mit einem
21Mikroscop, so wird man die Bläschen deutlich gewahr. Saussüre
22ließ auf seine schwarze Dose Nebel fallen, und da bemerkte er
23so gar, daß diese Bläschen elastisch wären, denn sie sprangen
24ordentlich wieder zurück.
25Warum die Dämpfe bey ihrer Verwandlung in Dünste diese
26Bläschenform annehmen, weiß man zur Zeit noch nicht genau
27anzugeben. Aber desto gewisser weiß man, daß diese Bläschen
28ihres Wärmestoffes noch nicht gänzlich verlustig geworden sind,
29weil sie ja, wie kleine Mongolfiere in die Höhe steigen und sich in
30der Luft erhalten. Eben so bestimmt weiß man auch die Ursache
31ihrer Entstehung. Diese ist nach allen Physikern keine andere, als
32die Erkältung – der Zusammendrückung wollen wir nicht geden-
33ken, weil diese in der | freyen Natur nur sehr selten statt finden218
34mag. Sobald also Dämpfe mit einer kältern Luft in Berührung
35kommen, verwandeln sie sich in bläschenförmige Dünste und
36bleiben nun entweder in dieser Gestalt sichtbar, oder werden wie-
37der in Dämpfe von minderer Temperatur verwandelt. Wie dieß im
38Kleinen geschehe, können wir stündlich bey einem heissen Wasser
39sehen, und sehen es fast zu allen Zeiten an unsern Fenstern. Wie
40im Kleinen, wirkt die Natur im Grossen. Durch verschiedene
41Umstände, die wir alle noch gar nicht einmahl kennen mögen,

Textkritischer Kommentar

Textkritischer Kommentar (Randtext)

Anmerkungen

Anmerkungen

Herausgeberkorrekturen am Drucktext

Marginalien zur sechsten Auflage

Anmerkungen von Lichtenberg

Registereinträge

0 244437 Sachregister ~ Bläschen ~ Entstehung durch Niederschlagung. 28282 2 887 12 bläschenförmige Gestalt siehe Gesamtregister.
0 244437 Sachregister ~ Dünste ~ Niederschlag aus Wasserdampf. 2435 2 887 11 Dunst siehe Gesamtregister.
0 244437 Sachregister ~ Metapher ~ Montgolfiere. 21739 2 887 29 Mongolfiere siehe Gesamtregister.
0 244437 Sachregister ~ Nebel ~ Bläschen. 28274 2 887 22 Nebel siehe Gesamtregister.
0 244437 Sachregister ~ Niederschlagung (praecipitatio). 3930 2 887 6-8 Wird dieser Wärmestoff von ihnen durch irgend eine Ursache ganz abgeschieden, so kömmt wieder das liquide Wasser zum Vorschein. siehe Gesamtregister.
0 244437 Sachregister ~ Niederschlagung (praecipitatio) ~ Mechanismus unbekannt. 3932 2 887 25-27 Warum die Dämpfe bey ihrer Verwandlung in Dünste diese Bläschenform annehmen, weiß man zur Zeit noch nicht genau anzugeben. siehe Gesamtregister.
0 244437 Sachregister ~ Niederschlagung (praecipitatio) ~ durch Abkühlung. 28286 2 887 30-37 Eben so bestimmt weiß man auch die Ursache ihrer Entstehung. Diese ist nach allen Physikern keine andere, als die Erkältung – der Zusammendrückung wollen wir nicht geden- ken, weil diese in der | freyen Natur nur sehr selten statt finden 218 mag. Sobald also Dämpfe mit einer kältern Luft in Berührung kommen, verwandeln sie sich in bläschenförmige Dünste und bleiben nun entweder in dieser Gestalt sichtbar, oder werden wie- der in Dämpfe von minderer Temperatur verwandelt. siehe Gesamtregister.
0 244437 Sachregister ~ Wärme ~ Feuer(materie) ~ Auflösungsmittel für Flüssigkeiten. 2756 2 887 5 Wärmestoff siehe Gesamtregister.
0 244437 Sachregister ~ Wärme ~ Feuer(materie) ~ Wolken. 12790 2 887 28 Wärmestoffes siehe Gesamtregister.
0 244437 Sachregister ~ Wasserdampf ~ Verbindung von Wasser mit Feuermaterie. 28284 2 887 4 Wasserdämpfe siehe Gesamtregister.
0 244437 Sachregister ~ Wolke ~ Entstehung. 4940 2 887 4-41 1 Alle Wasserdämpfe bestehen bekanntlich aus Wasser- und aus Wärmestoff, | die sich mit einander, obgleich sehr schwach ver- 216 binden. Wird dieser Wärmestoff von ihnen durch irgend eine Ursache ganz abgeschieden, so kömmt wieder das liquide Wasser zum Vorschein. Allein nirgends in der Natur erfolgt eine solche gänzliche Abscheidung auf einmahl. Sondern jedesmahl, so oft Wasserdämpfe sich zersetzen wollen, verwandeln sie sich erst in einen sichtbaren, noch nicht alles Wärmestoffs beraubten Dunst oder in eine bläschenförmige Gestalt. Und dieß ist das Erste, was hier bemerkt werden muß. Saussüre, wie schon erwähnt wurde, war der erste, der diese Entdeckung machte. Er machte sie auf den Alpen, mitten im Nebel selbst. Man kann aber eine solche Beobachtung auch im Zimmer anstellen. Gießt man heisse schwarze Dinte, oder heissen schwarzen Caffee ohne Milch in eine Tasse, so sieht man einen emporsteigenden Nebel. Geht man | nun damit vor das Fenster, so überzieht sich die Oberfläche gleich- 217 sam mit einem matten Silber. Betrachtet man dann dieß mit einem Mikroscop, so wird man die Bläschen deutlich gewahr. Saussüre ließ auf seine schwarze Dose Nebel fallen, und da bemerkte er so gar, daß diese Bläschen elastisch wären, denn sie sprangen ordentlich wieder zurück. Warum die Dämpfe bey ihrer Verwandlung in Dünste diese Bläschenform annehmen, weiß man zur Zeit noch nicht genau anzugeben. Aber desto gewisser weiß man, daß diese Bläschen ihres Wärmestoffes noch nicht gänzlich verlustig geworden sind, weil sie ja, wie kleine Mongolfiere in die Höhe steigen und sich in der Luft erhalten. Eben so bestimmt weiß man auch die Ursache ihrer Entstehung. Diese ist nach allen Physikern keine andere, als die Erkältung – der Zusammendrückung wollen wir nicht geden- ken, weil diese in der | freyen Natur nur sehr selten statt finden 218 mag. Sobald also Dämpfe mit einer kältern Luft in Berührung kommen, verwandeln sie sich in bläschenförmige Dünste und bleiben nun entweder in dieser Gestalt sichtbar, oder werden wie- der in Dämpfe von minderer Temperatur verwandelt. Wie dieß im Kleinen geschehe, können wir stündlich bey einem heissen Wasser sehen, und sehen es fast zu allen Zeiten an unsern Fenstern. Wie im Kleinen, wirkt die Natur im Grossen. Durch verschiedene Umstände, die wir alle noch gar nicht einmahl kennen mögen, siehe Gesamtregister.
0 244437 Personenregister ~ Lichtenberg, Georg Christoph ~ Biographisches ~ Hinweise zur wissenschaftlichen Praxis ~ Vorrang für Erklärung durch bekannte Ursachen. 28279 2 887 1-2 1 Naturerscheinungen erklären kann, darf man zu keinen unbe- kannten seine Zuflucht nehmen; siehe Gesamtregister.
0 244437 Personenregister ~ Saussure, Horace Bénédict de ~ Theorie der Verdunstung / des Regens ~ Kondensation in Bläschen. 28280 2 887 13 kapitalis Saussüre siehe Gesamtregister.
0 244437 Personenregister ~ Saussure, Horace Bénédict de ~ Theorie der Verdunstung / des Regens ~ Kondensation in Bläschen. 28280 2 887 21 kapitalis Saussüre siehe Gesamtregister.
0 244437 Sachregister ~ Alpen ~ meteorologische Beobachtungen. 28285 2 887 15 Alpen siehe Gesamtregister.
1473764706209

Abbildungen

Digitalisate

Vorherige Seite Gehe zu
Seite
Nächste Seite
  • Impressum
  • Akademie der Wissenschaften zu Göttingen