1
Ich fahre nun mit den Illusionen fort, die die Vermischung von
2
Urtheil und Empfindung beym sehen machen
6
Schritte von mir steht immer noch einmal so groß |
7
17vDer Mahler muß das gnau beobachten.
8
Wir sehen nicht daß er eben so groß ist, sondern wir urtheilen
10
Und wie? Wir schätzen die Entfernung 1) aus der größern Un-
11
deutlichkeit 2) aus der bekannten Entfernung selbst 3) aus der
13
Einige Erscheinung beym Meer
15
16
Theater. aufwärts der Sturm
18
Erscheinung des Meeres bey Schevelingen oder Scheveningen
20
Aber warum halten wir den Mond für näher? Antwort wir
21
haben überhaupt sehr unbestimmte Begriffe von grosen Entfer-
22
nungen zumal von unbekannten Objekten wie dem Mond
23
Ich habe keinen Grund ihn für weiter zu halten als, den Thurm
24
wo er hinter weg geht.
26
In der Nacht aufgehend ist er auch kleiner, als am Tag. |
28
Nun bedencken sie einmal was das für ein Nonsense ist zu sagen
30
Wie weit hast du das drey Groschen Stück gehalten. Ein drey
32
sagt man hingegen, so groß als ein drey groschen Stück, das ich
33
in der Hand halte 8'', 12'' von meinem Auge, da habe ich allen
Textkritischer Kommentar
51
3
Hund]
51für Licht putzer
textkritik
219160
744719
200680
4
51
5
wenigsten]
51danach streicht Bearb. bedencken wohl daß ein
textkritik
219162
744721
200680
4
51
5
Kerl]
51gestr. und wieder gültig gemacht
textkritik
219163
744722
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4
51
14
51erg. LB
textkritik
219166
744725
200680
4
51
29
erschien]
51für war
textkritik
219172
744731
200680
4
Textkritischer Kommentar (Randtext)
Anmerkungen
418
18
418 L. „war einmahl zu London in einer italienischen Oper. Es wurde ein prächtiger Tempel vorgestellt, dessen hinterste Säulen sich weit, weit zurück verloren. Wie er so die Pracht des Tempels anstaunte, kam ein Hund über das Theater im Hintergrunde desselben gelaufen. Der sah aus wie ein Elephant und es entstund ein allgemeines Gelächter darüber. Man verglich ihn nähmlich mit den hintersten Säulen.“ (GamN, 352.) |
419
anmerkung
219161
744720
200680
4
419
19
419 Das hat Kepler in der „Unterredung mit dem Sternenboten“ sehr schön verdeutlicht (Kepler, Unterredung 1964, 10): „Die Entfernung sieht das Auge nämlich nicht, es erschließt sie vielmehr, wie die Optiker lehren. Nimm beispielsweise an, ein Mensch sei 3200 Schritte weit entfernt, werde jedoch unter 32 fach vergrößertem Winkel gesehen; im Vergleich dazu wird ein anderer in 100 Schritt Entfernung ohne Fernrohr gesehen. Wenn dann das Auge weiß, daß der weit entfernte Mensch die gewöhnliche Größe hat, so wird es seine Entfernung nicht größer als 100 Schritte schätzen. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die vom Fernrohr bewirkte Verdeutlichung des Sehens.“ – Vgl. dazu auch das, was Klügel in einem der Zusätze in Priestley, Geschichte 2, 1776, 519 f. zitiert. Dort heißt es, daß ein Maler schlecht male, wenn er sich blindlings auf das Bild der Camera obscura verlasse; denn wer „richtig malen will, muß wirkliche Gegenstände so in sein Gemälde bringen, daß das Auge des Anschauers eben so über die Entfernung und Größe zu urtheilen geleitet wird, wie in der Natur selbst. Weil nun bey einem Gemälde die übrigen Gründe wegfallen, woraus man die Größe und Entfernung der Gegenstände sonst beurtheilet, so muß der Maler dieselben nicht so auszeichnen, wie sie sich in der Camera obscura abwerfen, sondern so groß, als sie der Seele in ihrem aus allen Datis zusammen bestimmten Urtheile vorkommen. Er muß sie also bloß nützen, um die Lage und Ordnung der Gegenstände in gehöriger Richtigkeit zu zeichnen; aber nachher muß er diese selbst fleißig ansehen, um das Bild in allen Stücken ähnlich zu machen.“
anmerkung
219164
744723
200680
4
419
20
419 Bei weit entfernten Objekten stehen die Augenachsen parallel (Einstellung „unendlich“); bei nahen wirkt nicht nur die Akkomodation (Veränderung der Krümmung der Augenlinse), sondern die Augenachsen bilden einen Winkel, den sogenannten Konvergenzwinkel , wobei a der Abstand der Augenachsen und e die Entfernung des Objekts bedeuten.
anmerkung
219165
744724
200680
4
419
21
419 Vgl. dazu auch die Notizen in VN J 3, 2r: „Scheinbare Gröse ein gleicher Winckel ist im Auge // ja der Winckel, unter welchem wir Dinge sehen // wie sie abnimmt, und wie man sich da irrt. Figur der See bey Scheveningen // Dieses ist ein äusserst wichtiger Artickel. Allee von Bäumen / Menschen / der aufgehende Mond, umständlich / das zusammen gedrückte Gewölbe des Himmels / Der Winckel von 45°“. (Meint L. hier, daß man wegen des scheinbar zusammengedrückten Himmelsgewölbes Winkel falsch schätzt, d. h. als Halbierung des Bogens zum Zenit einen geringeren Winkel als 45° anzeigt?)
anmerkung
219167
744726
200680
4
419
22
419 Nicht ermittelt.
anmerkung
219168
744727
200680
4
419
23
419 „Wenn Sie die See in vollem Lüster sehen wollen“ schreibt L. am 21. April 1786 an Amelung (Bw 3, Nr. 1435 [199]), „so versäumen Sie ja nicht Scheveningen oder Schevelingen 1 Stunde vom Haag [...] zu besuchen. Der Prospekt ist da vortrefflich, weil keine Inseln gegenüber liegen auch keine Tiefe des Hafens durch die Menge der Schiffe die Aussicht versteckt“. Denn dann bemerkt man, daß die Horizontlinie (anscheinend) gekrümmt |
420 ist, d. h. daß sie an den Außenrändern das Gesichtsfeldes ansteigt und also nach unten zu konvex wird. (Vgl. Anm. 25.)
anmerkung
219169
744728
200680
4
420
24
420 Das ist die sogenannte „Mondtäuschung“, d. h. die Tatsache, daß der Mond am Horizont größer zu sein scheint als in maximaler Höhe. Es ist eine Sinnestäuschung, die die Menschen seit der Antike beschäftigt hat. (Zu den Einzelheiten vgl. z. B. Rock, Wahrnehmung 1985, 21 – 25.)
anmerkung
219170
744729
200680
4
420
25
420 Die subjektive Horizontalebene liegt nach Schober um rund 1 bis 3° tiefer als der objektive (wahre) Horizont. Wegen dieses „scheinbaren Ansteigens des wahren Horizonts hat man den Eindruck, als ob die See eine flache Schale bilde, in derem Grund das Schiff fährt. Der obere Schalenrand ist durch den zu hoch erscheinenden wahren (objektiven) Horizont dargestellt. Der Effekt wird am Tage noch dadurch verstärkt, daß dann das Himmelsgewölbe als flacher Deckel der Schale wirkt.“ (Schober, Sehen 2, 1964, 407.)
anmerkung
219171
744730
200680
4
420
26
420 Das heißt: bei gleichem Sehwinkel kann ein kleines (nahes) Objekt ein (weiter entferntes) größeres völlig bedecken.
anmerkung
219173
744732
200680
4
420
27
420 Weil dann eine Aussage über den Sehwinkel gemacht werden kann.
anmerkung
219174
744733
200680
4
420
28
420 Ähnlich im „Büchelgen“ D (VN D 3, 2r): „Thorheit der Redens Arten der Mond so groß wie ein Zinnen Teller die Blutkügelchen wie Erbsen der Jupiter wie ein Rockknopf“.
anmerkung
219175
744734
200680
4
Anmerkungen
Herausgeberkorrekturen am Drucktext
Marginalien zur sechsten Auflage
Anmerkungen von Lichtenberg
Registereinträge
0
200680
744728
Verweise ~ Briefwechsel ~ Nr. 1435 an Amelung.
19296
4
419
23
Bw 3, Nr. 1435
siehe Gesamtregister.
0
200680
744726
Verweise ~ Vorlesungsnotizen ~ Büchelgen J ~ 3, Bl. 2r.
19291
4
419
21
VN J 3, 2r
siehe Gesamtregister.
0
200680
744734
Verweise ~ Vorlesungsnotizen ~ Büchelgen D ~ 3, Bl. 2r.
19297
4
420
28
VN D 3, 2r
siehe Gesamtregister.
0
200680
Verzeichnis der edierten Handschriften ~ NL VII F 2, K 5 ~ Bl. 18.
31885
4
51
27
18r
siehe Gesamtregister.
0
200680
Sachregister ~ Größe, scheinbare.
3005
4
51
20-35
lichtenberg
1
Aber warum halten wir den Mond für näher? Antwort
wir
haben überhaupt sehr unbestimmte Begriffe von grosen Entfer-
nungen zumal von unbekannten Objekten wie dem Mond
Ich habe keinen Grund ihn für weiter zu halten als, den Thurm
wo er hinter weg geht.
habe ich aber ein Maas so muß ich ihn für weit halten
24
In der Nacht aufgehend ist er auch kleiner, als am Tag.
|
18r
Figur des Horizonts auf der See.
NB
.
25
Nun bedencken sie einmal was das für ein Nonsense ist zu sagen
der Lufftball
erschien
so groß als ein drey Groschen stück.
Wie weit hast du das drey Groschen Stück gehalten. Ein drey
Groschen Stück kan die Welt bedecken
26
sagt man hingegen, so groß als ein drey groschen Stück, das ich
in der Hand halte 8
''
, 12
''
von meinem Auge, da habe ich
allen
Respeckt
.
27
Erbsen, Blutkügelchen.
28
siehe Gesamtregister.
0
200680
744720
Verweise ~ Gamaufs Erinnerungen aus Lichtenbergs Vorlesungen ~ Experimentalphysik II ~ 355.
19295
4
418
18
GamN, 352
siehe Gesamtregister.
0
200680
744723
Personenregister ~ Kepler, Johannes ~ Schriften ~ Dissertatio cum nuncio sidereo (1610) ~ Unterredung mit dem Sternenboten (dt. von F. Hammer 1964).
8695
4
419
19
Kepler, Unterredung 1964
siehe Gesamtregister.
0
200680
744723
Personenregister ~ Klügel, Georg Simon ~ Übersetzer ~ [1775–1776] Priestley, The history and present state of discoveries relating to vision, light and colours (1772).
18273
4
419
19
Klügel
siehe Gesamtregister.
0
200680
Sachregister ~ Sehen ~ Entfernung bzw. Größe schätzen.
4336
4
51
3-12
lichtenberg
Die Colonnade in
London
auf dem Theater wo ein
Hund
heraus
kam, ein Elephant.
18
Die
wenigsten
Menschen bedencken wohl, daß ein
Kerl
der 6
Schritte von mir steht immer noch einmal so groß
|
17v
Der Mahler muß das gnau beobachten.
Wir
sehen
nicht daß er eben so groß ist, sondern wir
urtheilen
es
19
Und wie? Wir schätzen die Entfernung 1) aus der größern Un-
deutlichkeit 2) aus der bekannten Entfernung selbst 3) aus der
Richtung unserer Augen Achse.
siehe Gesamtregister.
0
200680
Sachregister ~ Sehen ~ Entfernung bzw. Größe schätzen.
4336
4
51
20-25
lichtenberg
Aber warum halten wir den Mond für näher? Antwort
wir
haben überhaupt sehr unbestimmte Begriffe von grosen Entfer-
nungen zumal von unbekannten Objekten wie dem Mond
Ich habe keinen Grund ihn für weiter zu halten als, den Thurm
wo er hinter weg geht.
habe ich aber ein Maas so muß ich ihn für weit halten
24
siehe Gesamtregister.
0
200680
Sachregister ~ Sehen ~ optische Täuschung.
22729
4
51
1-6
lichtenberg
1
Ich fahre nun mit den Illusionen fort, die die Vermischung von
Urtheil und Empfindung beym sehen machen
Die Colonnade in London auf dem Theater wo ein
Hund
heraus
kam, ein Elephant.
18
Die
wenigsten
Menschen bedencken wohl, daß ein
Kerl
der 6
Schritte von mir steht immer noch einmal so groß
siehe Gesamtregister.
0
200680
Sachregister ~ Sehen ~ optische Täuschung.
22729
4
51
13-27
lichtenberg
Einige Erscheinung beym Meer
=
45°
21
Theater. aufwärts der Sturm
altum
22
Erscheinung des Meeres bey
Schevelingen oder Scheveningen
Beschreibung
23
Aber warum halten wir den Mond für näher? Antwort
wir
haben überhaupt sehr unbestimmte Begriffe von grosen Entfer-
nungen zumal von unbekannten Objekten wie dem Mond
Ich habe keinen Grund ihn für weiter zu halten als, den Thurm
wo er hinter weg geht.
habe ich aber ein Maas so muß ich ihn für weit halten
24
In der Nacht aufgehend ist er auch kleiner, als am Tag.
|
18r
Figur des Horizonts auf der See.
NB
.
siehe Gesamtregister.
0
200680
744728
Personenregister ~ Lichtenberg, Georg Christoph ~ Biographisches ~ Brief an ~ G.H. Amelung.
22733
4
419
23
L.
siehe Gesamtregister.
0
200680
744728
Sachregister ~ Datierung ~ 1786 April 21.
22732
4
419
23
21. April 1786
siehe Gesamtregister.
0
200680
Personenregister ~ Lichtenberg, Georg Christoph ~ Biographisches ~ Reisen ~ England, zweite Reise ~ Theaterbesuch.
22726
4
51
3-4
lichtenberg
Die Colonnade in London auf dem Theater wo ein
Hund
heraus
kam, ein Elephant.
siehe Gesamtregister.
0
200680
Sachregister ~ Münzen ~ Dreigroschenstück.
26059
4
51
29-32
lichtenberg
drey Groschen stück
drey Groschen Stück
drey
Groschen Stück
drey groschen Stück
siehe Gesamtregister.
0
200680
744723
Personenregister ~ Priestley, Joseph ~ Schriften ~ The history and present state of discoveries relating to vision, light and colours (1772) ~ Geschichte und gegenwärtiger Zustand der Optik (dt. von G.S. Klügel 1775–1776).
9162
4
419
19
Priestley, Geschichte 2, 1776
siehe Gesamtregister.
0
200680
Sachregister ~ Scheveningen.
22728
4
51
18
lichtenberg
Schevelingen oder Scheveningen
siehe Gesamtregister.
0
200680
Sachregister ~ Mondtäuschung.
22734
4
51
20
lichtenberg
Aber warum halten wir den Mond für näher?
siehe Gesamtregister.
0
200680
744729
Personenregister ~ Rock, Irvin ~ Schriften ~ Wahrnehmung. Vom visuellen Reiz zum Sehen und Erkennen (1985).
9225
4
420
24
Rock, Wahrnehmung 1985
siehe Gesamtregister.
0
200680
744730
Personenregister ~ Schober, Herbert ~ Schriften ~ Das Sehen (1950–54; 31960–64).
9308
4
420
25
Schober, Sehen 2, 1964
siehe Gesamtregister.
0
200680
744728
Personenregister ~ Amelung, Gotthilf Hieronymus ~ Brief von L..
22731
4
419
23
Amelung
siehe Gesamtregister.
200680
20068052cefc8fc4f92090452161
1439801858666
Abbildungen
Digitalisate
020068045100handschriftVNat_4VII_F2_K5_16v-17r.jpg[17r] VII F 2, K 5, [17r]
0200680451701handschriftVNat_4VII_F2_K5_17v-18r.jpg17v VII F 2, K 5, 17v
02006804512701handschriftVNat_4VII_F2_K5_17v-18r.jpg18r VII F 2, K 5, 18r