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der Philosophie so schädlich seyn können,
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als jene der Religion. Was würde nicht
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mancher daraus gefolgert haben, wenn
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Newton diese Erscheinung Sehnsucht
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genannt hätte! Wie hat man nicht über
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die Trägheit der Körper gestritten! Das
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Wort hatte die größte Schuld; denn es ist
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kaum möglich noch einen | 82Augenblick zu
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streiten, sobald man das nackte, unläug-
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bare Phänomen ansieht, ohne sich die un-
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philosophische Mühe zu geben, Folgerun-
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gen aus der bloßen Benennung zu ziehen.
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Man sollte sich freylich, da sich, wie
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Haller sagt, unser Auge am Kleid der
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Dinge stößt, hüten, über dieses Kleid noch
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andere zu ziehen, an denen sich die Ein-
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bildungskraft stößt noch ehe das Auge bis
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zu jenem undurchschaubaren eindringt.
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Aber solche Vorschriften helfen wenig.
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Von weit praktischerem Nutzen möchte
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wohl die seyn: man halte sich überall an
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den Begriff und nicht an das Wort.
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Attraction drückt also bloß eine Begeben-
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heit aus, die sich unsern Sinnen darstellt;
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wir bemerken nämlich, daß sich Körper
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einander durch Kräfte nähern, sich einan-
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der ziehen, sich nach einander sehnen,
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gegen einander gestoßen werden, gegen
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einander zu fallen (man nehme welchen
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Ausdruck man will) die in einer gewissen
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Verhältniß mit der Masse dieser Körper
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stehen. Was die Ursache davon sey, wis-
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sen wir nicht. Zu sagen diese Körper
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haben eine anziehende Kraft, bricht eben-
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falls die Untersuchung ab, und heißt, so
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bald es Erklärung seyn soll, eigentlich nur
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so viel: wir wissen die Ursache nicht, wir
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glauben sie aber zu wissen. In meinen
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Augen ist das grade offenherzige Geständ-
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niß der Unwissenheit hierin dem letztern
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weit vorzuziehen. Was ich jetzt nicht
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weiß, kann ich noch lernen; was ich nicht