IV. Statik und Mechanik. §. 115.
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1Es schien unter den Gelehrten entschieden zu seyn, daß
2die von Newton entwickelten Gesetze der Schwere die
3richtigen wären; ihre Simplizität und das Licht, das sie
4über die Physik verbreiteten, erwarb ihnen den allgemei-
5nen Beyfall aller Kenner, und man würdigte diejenigen, die
6ihnen etwa noch widersprachen, keiner Aufmerksamkeit
7mehr: – als im Monath Junius 1769 im |Journal des beaux310
8arts et des sciences, welches damals der Abbé Aubert
9sammelte, ein Brief aus Samoins in Faucigny von einem
10gewissen Jean Coultaud erschien, der sich als Prof. der
11Physik zu Turin unterzeichnet hatte. Dieser Brief schien den
12Zweifeln gegen die Newtonsche Theorie ein ganz neues
13Gewicht zu geben.
14Dieser Jean Coultaud gesteht in dem angeführten
15Schreiben, er habe mit allen großen Naturforschern dieses
16Jahrhunderts die Theorie des Newton bewundert, aber
17auch mit ihnen zugleich bedauert, daß man sie noch nicht
18durch unmittelbare Versuche auf der Erde bestätiget habe.
19Er bemerkt sehr richtig, daß die Höhe einiger Berge be-
20trächtlich genug sey, um einigen Unterschied der Schwere
21an ihrem Fuße und auf ihrem | Gipfel zu verursachen.311
22Er hatte sich daher, seiner Erzählung nach, vorgenom-
23men, hierüber Versuche mit dem Pendel anzustellen, des-
24sen Schwingungen bekannter Maßen, langsamer werden,
25wenn die Schwere geringer ist; daher eine Pendeluhr, wel-
26che am Fuße des Berges mit einer andern übereinstimmte,
27langsamer als diese andere gehen muß, wenn man sie auf
28den Gipfel des Berges getragen hat. Coultaud, der hieran
29gar nicht zweifelte, aber doch gern den Grad der Vermin-
30derung der Schwere bestimmen wollte, kaufte von einem
31der geschicktesten Uhrmacher in Genf zwey Pendeluhren,
32von deren gleichförmigem Gange er sich durch eine lange
33Prüfung überzeugte. Er ließ hierauf auf einem nahe bey
34Samoins gelegenen Berge eine Hütte bauen. Diese war
35der | eine, und eine Meyerey, welche 1085 Toisen tiefer312
36lag, der andere Beobachtungsort. Er beschreibt hierauf
37die Vorsicht, die er angewandt habe, um die Einwirkung
38der Wärme und Kälte zu vermeiden, und die Uhren in
39einem und eben demselben Zeitpunkt loslassen und anhal-
40ten zu können. Alle diese Veranstaltungen machen seinen
41Kenntnissen Ehre. Bey den Versuchen selbst beobachtete