1Auflösung eines neuen, für die physische Geometrie sehr
2wichtigen Problems. Er blieb aber nicht hiebey stehen, son-
3dern faßte, als einer der größten Schüler Newtons, den
4Entschluß, die Genauigkeit dieser Versuche näher zu prü-
5fen, und deßwegen von den Talenten und Charaktern der
6dabey interessirten Personen nähere Erkundigung einzuzie-
7hen. | Er hat in dieser Untersuchung einen unermüdeten319
8Eifer für die Wahrheit bewiesen, und weil er unter vie-
9len Andern auch mich zur Mittelsperson gebraucht hat,
10so kann ich alle Umstände der Sache durch mein eigenes
11Zeugniß bestätigen.
12Dieß ganze Gebäude von Beobachtungen und Versuchen
13ist die vollständigste Lüge, die man je erdichtet hat. In
14Samoins weiß kein Mensch etwas von Coultauds Ver-
15suchen, da doch meine Beobachtungen auf dem Gletscher
16Büet, welche bey weiten nicht so langwierig und in die
17Augen fallend waren, in dieser Gegend ziemlich bekannt
18sind. Auch ist kein Jean Coultaud in Samoins anzutref-
19fen, und zu Turin hat es nie einen Professor der Physik
20dieses Nahmens gegeben. | Es lebt zwar ein Coultaud zu320
21Samoins, der aber nicht Jean heißt, keinen Bruder hat,
22und zur Zeit der vorgeblichen Versuche außerhalb Landes
23gewesen ist. Zwey Herrn Andrier, welche sich daselbst
24aufhalten, wissen nicht das Geringste von dergleichen Ver-
25suchen. Eben so wenig existirt in Sitten irgend ein Mer-
26cier, und Herr Prof. Gesner hat den angeführten Brief
27nie erhalten. In Lausanne giebt es gar keinen Uhrmacher,
28der Pendeluhren verfertigte, und in Genf keinen, der zwey
29Pendeluhren nach Faucigny verkauft hätte.
30Dieß war es also, was die Gelehrten zu so vielen Erklä-
31rungen und Berechnungen bewogen hatte. Inzwischen fällt
32hierbey nichts Lächerliches auf sie zurück. Wenn eine Fabel,
33sagt Herr Lesage, gut angelegt und die Wahr|scheinlichkeit321
34dabey beobachtet ist, so darf man nicht darüber erröthen,
35daß man lieber zu einer etwas gezwungenen Erklärung
36seine Zuflucht nehmen, als die Urheber in den Verdacht
37eines vorsetzlichen Betrugs ziehen wollte.
38Wollte man den Fortgang solcher Betrügereyen, nicht
39sogleich bey ihrem Anfang zu hemmen suchen, so wür-
40den Experimentalphysik und Geschichte der Beobachtun-
41gen bald aufhören, sichere Führer zu seyn. Die Fabeln, wel-