1§. 205.
2Wirkungen des Druckes der Luft.
3Auf die eben angeführte Erfahrung gründen sich eine Menge Phä-
4nomene, unter welchen das mit dem Stechheber das bekannteste
5ist. Hat man dieses richtig gefaßt, so kann man sich auch alle
6übrigen, z.B. das Vestalische Sieb, den magischen Trichter, den
7Oehlkrug der Witwe, das nach diesen Gründen eingerichtete Din-
8tenfaß, die Taschenschreibfedern mit Dinte, den Zauberbrunnen
9u.s.w. erklären.
10Das Vestalische Sieb (Fig. 1.) ist eine Art von Gießkanne, deren15
11Boden durchlöchert ist, also eigentlich der Stechheber sehr oft
12wiederhohlt. Hält man die obere Oeffnung mit dem Daumen
13zu, so fließt unten nichts heraus. Zu dem Ende darf die Oeff-
14nung des Halses nicht so groß seyn, als der Hals selbst, wenn
15dieser etwas weit seyn sollte, damit man mit dem darauf drücken-
16den Daumen die eindringende Luft sicherer abhalten könne. Der
17Nahme kommt daher: Eine Vestalinn zu Rom kam in Verdacht,
18das Gelübde der Keuschheit gebrochen zu haben, da bath sie den
19Jupiter, er möchte ihretwegen ein Wunder thun; das that er denn
20auch. Er verstattete ihr mit einem durchlöcherten Siebe Wasser
21aus der Tiber bis zum Tempel der Vesta zu tragen. – »Wenn es ein
22solches Sieb gewesen wäre, sagte hier Lichtenberg immer, wie
23dieses hier, so könnten damit auch die Göttingischen Vestalinnen
24Wasser aus der | Leine bis zum Tempel am Geißmarthore∗tragen.16
25Ich habe sonst immer diese Anekdote erzählt, weil ich aber gehört
26habe, daß man mir es übel nehme, so thue ich es jetzt nicht mehr.«
27Der magische Trichter (Fig. 2.) ist ebenfalls ein versteckter
28Stechheber. Es ist ein doppelter Trichter, und auf das Loch unter
29dem Henkel kommt alles an. Man kann rothen Wein und Wasser
30zu verschiedener Zeit, das ist, nacheinander aus demselben, auf
31eine überraschende Art herausfließen lassen. Zuerst gießt man
32z.B. den rothen Wein in den Trichter, der steigt also, nach hydro-
33statischen Gesetzen, in den verborgenen Trichter hinein. Nun hält
34man das Loch unter dem Henkel zu, und läßt den Wein aus a
35wegfließen. Aus bb kann | er nicht fließen, aus Gründen der obigen17
36Erfahrung (§. 204). Jetzt wird, aber immer bey zugehaltenem