1der Gesetze des Lichts, ohne weiter Rücksicht auf das Wesen
2desselben zu nehmen, auf Betrachtung gerader Linien d.i. auf
3Geometrie bringen läßt. Daher kömmt es denn, daß in der Lehre
4vom Licht so viel Mathematik vorkömmt.
5Allein daraus, daß das Licht sich in geraden Linien fortpflanzt,
6folgt keinesweges: daß wir einen Gegenstand nur dann wahr-
7nehmen, wenn sich von demselben, nach unsern Augen hin, eine
8gerade Linie ziehen läßt, die nirgends von einem andern Körper
9unterbrochen wird. Hier hat sich Erxleben viel zu allgemein
10ausgedrückt. Einmahl sollte es schon heissen: »von einem andern
11undurchsichtigen Körper;« denn natürlich kann die Linie von
12durchsichtigen Körpern unterbrochen seyn, ohne das Sehen zu
13hindern. Dann aber sehen | wir ja wirklich bey weitem mehr durch321
14krumme Linien, ob sie gleich in vielen Fällen sehr wenig von den
15geraden abweichen. Man denke doch daran, daß wir alle Tage die
16Sonne schon sehen, wenn sie noch nicht aufgegangen, und noch
17sehen, wenn sie schon untergegangen ist. Man denke daran, daß
18der Schatten eines Körpers, wenn man einen Lichtstrahl davon
19durch eine enge Oeffnung in ein verfinstertes Zimmer fallen läßt,
20immer größer, als der Körper selbst ist – welches freylich erst
21weiter unten ganz verständlich werden wird.
22§. 298.
23Feinheit der Lichtstrahlen.
24Die Lichtstrahlen müssen ungemein subtil seyn. Wenn man auf
25einem Thurme durch die geringste Oeffnung eines Kartenblat-
26tes, mit einem Nadelstiche, sieht: so kann man die ganze Stadt
27übersehen. Alle | Strahlen aus diesen Gegenständen müssen durch322
28dieses Loch, und verwirren sich doch nicht. Wären nun tausend
29Menschen auf dem Thurm, und sehen so, durch ein durchsto-
30chenes Kartenblatt, so würde noch immer derselbe Fall bleiben.
31Hier steht der menschliche Verstand stille. Das geht über unsere
32Begriffe.
33Weil nach dieser Erfahrung, ein leuchtender oder erleuchteter
34Gegenstand von allen Seiten gesehen werden kann, das Auge mag
35gegen denselben was immer für eine Lage haben: so folget daraus,
36daß sich von jedem Punkte dieser Gegenstände die Lichtstrah-
37len nach allen Seiten zu, fortpflanzen müssen, so wie die Radii
38einer Kugel vom Mittelpunkte nach der Peripherie, und daß daher
39der Theil von ihnen, der auf unser Auge oder auf eine andere