1§. 314.
2Sehewinkel oder scheinbare Größe.
3Der Sehewinkel oder die scheinbare Größe (im Gegensatze der
4absoluten Größe) ist derjenige Winkel, den zwey Lichtstrahlen,
5die von den beyden äußersten Enden eines Gegenstandes ausfah-
6ren, mit dem Auge bilden. – Alle Dinge, die unter einem Winkel
7erscheinen, haben einerley scheinbare Größe; die absolute Größe
8muß erst durch Messungen ausgemacht werden. | So hat also350
9Sonne und Mond unter Einem Winkel einerley scheinbare Größe.
10Denkt man sich eine Reihe von Pfeilen unter einerley Winkel: so
11haben sie alle einerley scheinbare Größe.
12§. 315.
13Größe der Gegenstände.
14Da die Größe der Gegenstände, wie sie dem Auge erscheint, nicht
15allein von ihrer wahren Größe, sondern auch von ihrer Entfer-
16nung vom Auge abhängt: so fragt sich’s: in welcher Entfernung
17verschwinden die Gegenstände? Wenn man blau und gelb ver-
18mischt, nahe vor das Auge hält, so bemerkt man diese Mischung;
19in einiger Entfernung aber erscheint sie grün. Die Lichtflamme
20sieht man des Nachts ungeheuer weit; bey Tage nicht einmahl
21Silber und Gold so weit. – Tobias Mayer hat hierüber vortreff-
22liche Versuche ange|stellt. Er fand aus einer Mischung von Far-351
23benquadrätchen, wo weisse und schwarze Quadrätchen mit ein-
24ander abwechselten, daß die Gegenstände verschwinden, wenn
25der Sehewinkel bis zu23oder zur Hälfte einer Minute abnimmt.
26Er ging nähmlich immer weiter zurück, bis er die Farben nicht
27mehr unterscheiden konnte. Da ihm nun der Durchmesser der
28Quadrätchen bekannt war, und die Entfernung des Auges von
29denselben gemessen werden konnte: so bestimmte er auf diese Art
30die Größe des Sehewinkels, unter welchem die Gegenstände dem
31Auge verschwinden. – Lichtenberg zeigte das Original der von
32Mayer angegebenen und von Meister gezeichneten Quadrät-
33chen vor, mit welchem diese Versuche von dem ersteren angestellt
34wurden.
35Es ereignen sich in Ansehung des Verschwindens der Gegen-
36stände, in einer gewissen Entfernung, ganz seltsame Erscheinun-