1die Strahlen aus nahen Punkten so zu brechen, als ob sie aus ent-
2fernten Punkten herkämen; so können Weitsichtige durch Hülfe
3derselben auch nahe Gegenstände deutlich sehen, und bedienen
4sich daher zu diesem Zwecke der Brillen.
5Der graue Stahr (cataracta) besteht in der Verdunklung, oder
6in dem Undurchsichtigwerden der Kristalllinse. Es wird ihm,
7durch Hinwegdrückung oder Herausziehung derselben abgehol-
8fen. Denn da die wässerichte und gläserne Feuchtigkeit ebenfalls
9die Strahlen brechen, und ihre Kegel konvergent machen: so
10entsteht auch ohne | Krystalllinse ein Bild, ob sich gleich viele485
11Operirte der Stahrbrillen bedienen müssen, um die Brechung zu
12verstärken, und den Mangel der Krystalllinse zu ersetzen, da
13sonst die Vereinigungspunkte allzuweit hinter die Netzhaut fallen
14würden.
15Der schwarze Stahr (amaurosis) besteht in der Lähmung, oder
16Unempfindlichkeit des Sehnervens und der Netzhaut.
17Die Kurzsichtigen müssen sich also der Hohlgläser oder der
18Ferngläser; die Weitsichtigen der Konvexgläser oder Brillen; die
19Stahroperirten der Stahrbrillen bedienen. Man hat ein sehr nettes
20Instrument, durch welches man alle drey Fehler und die Rektifi-
21cirung derselben durch die genannten Gläser sinnlich vorstellen
22kann. Es heißt das künstliche Auge, und ist von großer Wichtig-
23keit.
24Ueber gewisse Entfernungen hinaus sind wir alle kurzsichtig.
25Viele Dinge können wir gar nicht sehen, theils weil sie zu | klein,486
26theils weil sie zu entfernt sind. Diesem doppelten Uebel wird zum
27Theile durch Mikroscope und Fernröhre abgeholfen.
28Noch sind zwey wichtige Fragen über das Auge übrig; erstens:
29Warum sehen wir die Gegenstände trotz des verkehrten Bildes auf
30der Netzhaut, aufrecht? zweytens: Warum sehen wir die Gegen-
31stände mit zwey Augen nur einfach?
32Die erste Frage hat wohl schwerlich einen vernünftigen Sinn;
33denn sie verräth offenbar, daß man sich von der rohen Idee noch
34nicht los gemacht habe, hinter dem Auge säße unsere Seele, mit
35einem andern Auge, gleichsam auf einem Thron, und betrachte
36von da aus, den auf der Netzhaut abgebildeten Gegenstand. Doch
37dieß auch zugegeben, oder angenommen: wir sähen wirklich
38unmittelbar nur das verkehrte Bild auf der Netzhaut, und nicht
39den Gegenstand selbst: so gränzt die Fra|ge vollends an baaren487
40Unsinn. Es bilden sich ja auch alle übrigen Gegenstände verkehrt