Drittes und letztes Bändchen.
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1§. 435. 436.
2Das Sieden der flüßigen Körper.
3Das Sieden des Wassers ist nichts weiter, als eine Operation,
4durch welche es in Dämpfe aufgelöset wird. Indem die Dämpfe
5in Gestalt von Bläschen, in großer Menge und Schnelligkeit in die
6Höhe steigen, verursachen sie jene wellenförmige Bewegung, in
7welche das Wasser geräth. Siehe oben S. 39.
8Eine siedende oder kochende Flüßigkeit kann nicht weiter mehr
9erhitzet werden: der Grad ihrer Hitze ist nunmehro fix. Alle
10Wärme nähmlich, welche man ihr, über die zum Sieden nöthige,
11ertheilt, wird auf Erzeugung von Dämpfen verwendet, und ent-
12weicht mit diesen Dämpfen von der flüßigen Masse. Bliebe in die-
13ser flüßigen Masse noch eine größere Wärme zurück, so müßte |
14diesen jene sogleich in Dampf verwandeln. Daher kommt es, daß91
15Wasser, welches auch in den dünnsten Gefäßen in kochendes
16Wasser gebracht wird, nicht zum Sieden kommt, weil ihm ja dieß
17kochende Wasser nur höchstens der Grad von Wärme mitthei-
18len kann, den sein noch tropfbar bleibender Theil besitzt, und
19der folglich zum Sieden noch nicht hinreichend ist. Daher kann
20man denn auch das siedende Wasser so gut zur gleichförmigen
21Erhitzung, der darein gestellten gläsernen Gefäße, und folglich
22zur Destillirung derjenigen flüßigen Materien gebrauchen, die
23sich in diesen Gefäßen befinden, und die, wenn sie zum Sieden
24kommen sollen, einen geringeren Wärmegrad als das Wasser
25erfordern. Man nennt eine solche Destillation durchs Wasserbad
26oder Marienbad.
27Uebrigens muß man aber ja nicht vergessen, daß der Grad der
28Siedehitze nur alsdann fix ist, wenn die kochenden Flüßig|keiten92
29homogen sind, z.B. beym Wasser und rektificirten Weingeist.
30Wein hingegen, gemeiner Branntwein, viele Oele erhitzen sich
31immer mehr, je länger sie kochen, und dieses so lange, bis der
32Rest homogen wird. Dieses ist die Ursache, warum auch Wein in
33Gefäßen, im kochenden Wein aufgehängt, endlich kocht.
34Wenn man auf einem eisernen Löffel, der mit dem kochenden
35Wasser gleiche Hitze hat, einen Tropfen Wasser fallen läßt, so löst
36er sich in weniger als einer Sekunde in Dämpfe auf, und verfliegt.
37Wird aber der Löffel weißglühend gemacht, so erhält sich der
38Tropfen Wasser bis auf 35 Sekunden auf demselben. Bey der
39Hitze des kochenden Wassers erzeugen sich nähmlich Dämpfe;