II. Theorische Astronomie. 1. Von der Erde.
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11) Die so hoch getriebene oder her|abfallende Kugel beschreibt123
2oben einen viel größeren Kreis, als unten. Folglich muß sie
3sich oben schneller nach Osten zu bewegen, als unten; und
4sie muß daher dieses größeren Schwunges wegen während
5des Herabfallens nach Osten sich von der senkrechten Linie
6entfernen, und also Ostwärts auffallen.
72) Indem sich die Erde um ihre Axe dreht, beschreibt sie zugleich
8ihren Umlauf um die Sonne, in einem schrägen Cirkel; die
9so hoch getriebene oder herabfallende Kugel aber, bekömmt
10bloß einen geraden Schwung und Richtung. Die Erde geht also
11indeß in einer andern Linie fort, als die Kugel auf dieselbe
12zurückkehrt. Folglich kann diese nicht mehr auf denselben
13Fleck eintreffen, von welchem sie weggeflogen war, oder her-
14abgelassen wurde.
15Jedoch man braucht nicht eben eine so große Höhe anzuneh-
16men. Durch ge|naue Versuche ergiebt sich, wenigstens das Erstere124
17von dem eben Gesagten, bey einer viel geringeren. Solche Versu-
18che hat man nun wirklich angestellt, und dadurch selbst einen
19direkten Beweis für die Umdrehung der Erde um ihre Axe gefun-
20den. Der große Newton zeigte schon im Jahre 1579, daß eine
21Kugel, die man von einem hohen Thurm fallen ließe, etwas nach
22Osten fallen müsse, wenn die Erde sich um ihre Axe drehte,
23weil in der Spitze des Thurms die Schwungbewegung, die aus
24der Axendrehung entsteht, größer sey, als am Fuße desselben.
25Doktor Hoock theilte der Londner Societät diese Nachricht mit,
26und sie beschloß, alle nur mögliche Versuche über einen Gegen-
27stand anstellen zu lassen, der von so großer Wichtigkeit wäre.
28Hoock machte selbst einen solchen Versuch; aber nur bey einer
29Fallhöhe von | 27 Fuß, und der konnte also nichts entscheiden.125
30Wahrscheinlich fielen auch die übrigen Versuche nicht besser aus;
31wenigstens wird derselben in den Gedenkschriften der Societät
32nicht weiter gedacht. Ueber hundert Jahre vergingen nun, ehe
33man wieder solche Versuche anstellte, als im Jahre 1791 ein jun-
34ger Geometer in Bologna, Guglielmini, sich zu derselben aufs
35Neue entschloß. Er benutzte dazu den Thurm Asinelli in Bologna,
36welcher eine Fallhöhe von 241 Fuß hat, und schon vor andert-
37halb Jahrhunderten in der Geschichte der Fallgesetze merkwürdig
38wurde, nämlich durch Ricciolis Versuche, um die Gesetze des
39Galilei zu bestätigen. Guglielmini stellte auf diesem Thurm
4016 Versuche mit der äußersten Sorgfalt an, und machte dieselben