III. Physische Astronomie. 3. Vorrücken der Nachtgleichen.
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1Daß von dem Vorrücken der Nachtgleichen der Unterschied
2zwischen dem tropischen und siderischen Jahr herrühre, wurde
3schon oben gesagt.
4Nun woher kömmt doch dieses Zurückweichen der Aequi-|
5noctialpunkte? Es ist einzig und allein nur aus Newtons all-587
6gemeiner Gravitation erklärbar; denn es ist nichts anders, als eine
7Wirkung der anziehenden Kraft, welche die Sonne und besonders
8der Mond auf die sphäroidische Gestalt der Erdkugel äußert.
9Um dieß einigermassen begreiflich zu machen, muß man an die
10Knoten des Mondes, oder an diejenigen Punkte, in welchen die
11Mondsbahn die Ekliptik durchschneidet, und an ihre große Ver-
12änderlichkeit gedenken. Sie ist so beträchtlich, daß die Monds-
13knoten in 19 Jahren herum kommen, und also jedes Jahr um 19
14Grade zurück rücken; weßwegen man sie auch schon sehr frühe
15bemerkte. Dieses Zurückrücken ist nun ebenfalls eine Wirkung
16der anziehenden Kraft der Sonne und der Erde. Da der Mond sich
17auf seiner Bahn über die Ekliptik erhebt, so erhebt er sich auch
18über die Fläche, die durch die Sonne und die Erde geht, und seine
19Abweichung oder sein Abstand vom Aequator ist zu verschiede-
20nen Zeiten gar sehr verschieden. Er wird also von den zwey |
21Kräften, der Erde und der Sonne, verschiedentlich angezogen,588
22dadurch jener Fläche näher gebracht, und also genöthiget, früher
23in der Ebene der Ekliptik einzuschneiden; oder es erfolgt das
24Zurückweichen der Knoten. – Man denke sich nun den Mond an
25den Aequator der Erde befestiget: so wird Alles eben so erfolgen.
26Dieser Mond am Erdäquator aber ist die wegen ihrer Abplattung
27dort angehäufte Masse der Erde; was die verschiedene Erhebung
28des Mondes über die Ekliptik ist, das ist in Ansehung der Erde,
29der Winkel, welchen der Aequator mit der Ekliptik macht, und
30was die Knoten des Mondes sind, das sind die Nachtgleichen;
31und so ist also das Vorrücken der Nachtgleichen nichts anders,
32als das Zurückweichen der Mondsknoten. Es würde nie erfolgen,
33wenn die Erde vollkommen rund wäre, und ihre Bahn in dem
34Weltäquator läge.
35Newton dachte sich in dem Sphäroide der Erde, eine runde
36Erde wie Fig. 59 zeiget. Und daraus wird begreiflich genug, daß
37doch die Anziehung des Mondes und der Sonne bey A und B, | sich589
38weit stärker äußern müsse, als bey C und D, weil doch dort weit
39mehr Masse vorhanden ist, als hier. Diese mehrere Masse aber
40befindet sich in der Ebene des Aequators; Sonne und Mond hinge-
41gen wirken darauf allzeit aus der Ebene der Ekliptik: und so muß