Physikalische Geographie, Meteorologie, Theorie der Erde.
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13. In Ansehung der Zeit, da diese Erscheinungen statt finden,
2bemerkt man folgendes:
3a. Jedesmahl ungefähr zwey bis drey Stunden nach der Cul-
4mination des Mondes an einem Orte, steht das Meerwasser
5am höchsten oder ist volle See. Zur Zeit des Neu- und
6Vollmonds oder in den Syzygien, und zur Zeit des ersten
7und letzten Viertels, oder in den Quadraturen, geschieht
8dieß jedesmahl gerade 3 Stunden nach der Culmination;
9sonst aber bald früher, bald später.
10b. Am zweyten Tage ereignen sich alle diese Verände|rungen156
11etwa um 49 Minuten später. Da ist also z.B. zur Zeit der
12Syzygien, heute gerade 3 Stunden nach der Culmination
13des Mondes volle See, morgen aber um 49 Minuten später.
14Dieß dauert so 29 bis 30 Tage fort. Dann ereignen sich Ebbe
15und Fluth wieder in der vorigen Ordnung oder fallen auf
16dieselben Stunden des Tages.
174. Unter dem heissen Erdstriche und in großen und tiefen Meeren
18werden Ebbe und Fluth vorzüglich bemerkt. In den gemäßig-
19ten Zonen sind sie schon nicht mehr so stark. Sie nehmen
20überhaupt mit der geographischen Breite ab. Über 65 Grade
21dieser Breite hinaus, dürfte kaum mehr Jemand diese Erschei-
22nung sehen können. – Im Baltischen und Mittelländischen
23Meere ist die Erscheinung sehr schwach, im Casspischen kaum
24bemerklich.
255. Zur Zeit des Voll- und Neumondes oder in den Syzygien sind157
26die Fluthen allemahl am stärksten, hingegen in den Quadra-
27turen am schwächsten. In dem ersten Falle werden sie Spring-
28fluthen genannt, und sie sind dann vorzüglich hoch, wenn der
29Neu- oder Vollmond zugleich in der Erdnähe ist. Auch bey der
30Wintersonnenwende sind sie stärker, als bey der Sommerson-
31nenwende.
32Man sieht also offenbar, daß sich Ebbe und Fluth ganz regelmäs-
33sig nach dem Laufe des Mondes richten. Und da man einmahl
34diese Bemerkung machte: mußte man auch bald die wahre Ursa-
35che dieser Erscheinung entdecken, und die denn keine andere, als
36der Mond selbst ist. Er äußert nähmlich seine Anziehungskraft auf
37das Wasser unserer Erdfläche; dieser Kraft muß dasselbe wegen
38seiner Flüssigkeit folgen; | und durch dieses Folgen wird es eben158
39in jene Bewegungen versetzt, welche wir Ebbe und Fluth nennen.
40Bestände unsere Erde ganz aus Wasser und wäre sie alleine in