II. 3. Von den wässerichten Lufterscheinungen.
901
244450
244452
2
0
1h. Vom Regenbogen.
2In den gewöhnlichen Lehrbüchern der Physik, wird die Erklärung
3des schönsten Phänomens am Himmel, welches unstreitig der
4Regenbogen ist, sehr leicht gemacht. Allein das ist sie wirklich
5nicht. Eine vollständige Theorie desselben, ist ohne Differenzial-
6rechnung gar nicht möglich. Indeß dieß darf nicht abschrecken.
7Einen deutlichen Begriff davon kann man auch ohne diese Rech-
8nung erlangen; und diesen wollen wir zu geben versuchen. Lange
9hat es gewährt, bis man auf denselben ge|rieth. Die Geschichte256
10davon ist in Klügels Uebersetzung von Priestley’s Optik schön
11erzählt. Seneka dachte jedoch schon besser darüber, als mancher
12Neuere. Anton de Dominis gab die erste gute Erklärung. Car-
13tesius de meteoris erklärte das Phänomen vortrefflich, bis auf die
14Farben, worinn er weit hinter Newton zurück blieb. Endlich kam
15dieser große Mann und enthüllte auch dieses Geheimniß. Seine
16Theorie des Regenbogens ist ein wahrer Triumph der Physik.
17Der Regenbogen ist eigentlich ein Kranz oder eine Glorie um
18den Schatten unsers Kopfs, welche uns dann sichtbar wird, wenn
19die Sonne gegen den Regen scheint und wir uns zwischen dem
20Regen und der Sonne in der erforderlichen Lage befinden. Sie wird
21bewirkt diese herrliche Glorie durch die Brechung und Zurück-
22werfung | des Sonnenlichts in den einzelnen Regentropfen; und es257
23hat damit folgende Bewandtniß. Es stelle A,Fig.19, einen Tropfen
24in der dem Auge O des Beobachters zugekehrten Regenwand
25vor, und Sa sey ein Sonnenstrahl, welcher von der hinter dem
26Beobachter befindlichen Sonne auf den Tropfen falle: so wird bey
27a ein Theil dieses Strahls zurückgeworfen, ein Theil aber dringt in
28den Tropfen ein, und wird in die Richtung ab gebrochen. In b geht
29wieder ein Theil des Strahls zum Tropfen gebrochen hinaus, ein
30Theil aber wird von der innern Fläche des Tropfens in der Rich-
31tung bc zurückgeworfen. Hier bey c erfährt der Strahl dasselbe
32Schicksal; ein Theil wird zurückgeworfen, der andere aber geht
33zum Tropfen gebrochen hinaus und kann in der Richtung cO, in
34das Auge des Zuschauers gelangen.
35In jedem der drey Punkte a, b, c, wird also der Sonnenstrahl
36theils gebro|chen, theils zurückgeworfen. Zur Bildung des Phä-258
37nomens ist nun wohl nur diejenige Brechung, Zurückwerfung
38und abermahlige Brechung erforderlich, welche das Gelangen des
39Strahls auf dem eben bezeichneten Wege in das Auge O möglich