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VIII. Vom Lichte
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VIII.1 Vorbemerkung
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Was man zu Lichtenbergs Zeit unter „Optik“ verstand, kann
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man dem Gehlerschen Wörterbuche entnehmen. Der Name
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Optik „kömmt in seiner weitläuftigsten Bedeutung der ganzen
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Lehre vom Lichte und vom Sehen zu, welche einen Hauptab-
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schnitt der angewandten Mathematik ausmacht, und die sämt-
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lichen optischen Wissenschaften in sich begreift. Im eigentlichen
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und eingeschränkten Sinne aber versteht man unter der Optik
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blos die Lehre vom Sehen durch gerade Lichtstralen. Diese ist
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nur ein einzelner Theil der optischen Wissenschaften, zu denen
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ausser ihr noch die Katoptrik, Dioptrik und Photometrie ge-
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Ein großer Teil von dem, was Lichtenberg im Sommer 1785 in
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20 Vorlesungsstunden seinen Hörern vorgetragen hat, gehört zur
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Katoptrik und Dioptrik. Das sind: die geradlinige Fortpflanzung
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des Lichts, dessen Spiegelung (Reflexion), Brechung (Refrak-
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tion); die optische Abbildung durch Spiegel und Linsen; die
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Funktionsweise der optischen Instrumente, d. h. der Camera
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obscura, der Lupe, des Mikroskops und des Teleskops. Dies alles
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kann ohne Kenntnis der Natur des Lichts erklärt werden: „So-
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bald die Gesetze der Brechung und Reflexion durch den Physiker
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gefunden sind“, schreibt Lichtenberg, „ist die ganze Dioptrik
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und Catoptrik ein blos geometrisches Problem, welches zu studi-
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ren und selbst zu erweitern man so wenig braucht ein Physiker
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zu seyn, als man nöthig hat Physic zu wissen um den Euklid zu
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aber von Fall zu Fall überzeugen, ob die aus den einfachen Vor-
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stellungen gezogenen Schlüsse auch wirklich zutreffen. Nimmt
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man zu dem bisher Angeführten die prismatische Zerlegung des
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Lichts und Untersuchungen über die Farben hinzu, so war all
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das schon Newton bekannt. Was in den „Zeiten nach Newton“,
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was in Lichtenbergs Jahrhundert hinzugekommen ist, nimmt in
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Joseph Priestleys ‚Geschichte der Optik‘ mehr als 240 von
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500 Seiten ein. Priestley will dort die Meinung von Zeitgenossen